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Viktor Juschtschenko, Oppositionsführer

Foto: Reuters/Fedosenko
Russische Polittechnologen, die aggressiv für seinen Gegner agieren, loben Viktor Juschtschenko im Privatgespräch als integre Person. Der 50-jährige Präsidentschaftskandidat der Opposition genießt auch bei politischen Gegnern Achtung. Zu verdanken hat er dies seiner hohen Professionalität als Ökonom sowie seiner kompromissbereiten Haltung. Hätte er nicht die Grenze seiner Kompromissbereitschaft klar definiert, die Ukraine hätte eine ruhigere Vorwahlzeit erlebt.

Doch Juschtschenko erklärte der Korruption den Kampf: "Die Banditen, die unser Land ausplündern", werde er ins Gefängnis werfen. Das rief die Adressierten, die sich noch schnell bei großen Privatisierungsdeals bedienten, auf den Plan. Fortan steuerte die ukrainische Pendeldiplomatie auf eine geopolitische Festlegung zu: Mit Janukowitsch – Ostorientierung und Westisolation. Mit Juschtschenko, dem Chef des Oppositionsblocks "Unsere Ukraine - Öffnung des Landes und Ausbau der Demokratie nach westlichem Verständnis.

Als aufrichtiger Reformer hat er es schon vor Jahren zum populärsten Politiker im Land gebracht. Zwischen 1999 und 2001 verordnete er als Premier einschneidende Reformen und zahlte fällige Löhne, Pensionen und Stipendien wieder aus. Der kommunistischen Opposition und den Oligarchenclans um Präsident Kutschma drohte er zu stark zu werden, sodass ihn Kutschma absetzte.

Woher Juschtschenkos Westorientierung kommt, ist Gegenstand müßiger Spekulationen. Nicht wenige schreiben es seiner US-amerikanischen Frau zu, einer ehemaligen Angestellten des US-State Department, mit der er drei Kinder hat. Es könnte aber genauso einfach sein Know-how als Ökonom sein. Juschtschenko weiß: Clanwirtschaft und hohe Eigentümerkonzentrationen verhindern nötige Auslandsinvestitionen.

Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften arbeitete der Hobbyimker und Antiquitätensammler ab 1976 in der sowjetischen Staatsbank, später als Vizechef in der ukrainischen Agro-Industrial Bank und der Bank Ukraina. Größtes Ansehen bei seinen europäischen Amtskollegen erwarb er sich in den Jahren 1993 bis 1999, als er als Chef der Ukrainischen Nationalbank die Währungs- und Kreditpolitik für den neuen Riesenstaat gestaltete, die Einführung der Nationalwährung Hriwna managte und den Sog der russischen Rubelkrise 1998 einigermaßen abzufedern half. Beim Global Finance Award wurde er 1997 zu einem der fünf besten Central Banker gekürt.

Zu Beginn des Wahlkampfes lag er weit vor Janukowitsch. Durch eine rätselhafte Erkrankung fiel er plötzlich vier Wochen aus. Seitdem ist sein Gesicht entstellt. Sein Lager vermutetet einen Giftanschlag des Geheimdienstes. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2004)