Auch der verspätete Start ist überschattet. Diese EU-Kommission ist die erste, die den Sanktus des Parlaments erst im zweiten Anlauf bekommen hat - und gleich am ersten Tag des verzögerten Amtsantritts wird das Team von José Manuel Barroso wieder in Frage gestellt. Diesmal ist es eine verschwiegene Verurteilung von Verkehrskommissar Jacques Barrot, die für Unruhe sorgt. Barrot und mit ihm Kommissionspräsident Barroso stellen sich auf einen formalrechtlichen Standpunkt. Barrot ist im Jahr 2000 wegen einer Parteispendenaffäre zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden - formaljuristisch existiert diese Strafe aber nicht, weil sie sofort nach dem Urteil aufgrund einer Amnestie annulliert wurde. Formaljuristisch hat Barrot also Recht, wenn er die Strafe nie erwähnt hat. Bloß: Politik besteht aus mehr als aus der Befolgung formalrechtlicher Grundsätze. Spätestens seit den Korruptionsaffären bemüht sich die EU-Kommission um besonders Transparenz: Nicht umsonst müssen EU-Kommissare ausführlich ihre Vermögens- und Besitzverhältnisse bekannt geben. Vor diesem Hintergrund mutet es, gelinde formuliert, merkwürdig an, dass bisher niemand in der EU-Kommission oder im EU-Parlament Barrots Vergangenheit aufgefallen ist. Immerhin werkt Barrot seit April in Brüssel als Kommissar - und musste bei seinem Amtsantritt im April und bei seinem Wechsel zum Ressort Verkehr ein ausführliches Hearing absolvieren. Da wäre ihm kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn er aus Transparenzgründen die Verurteilung einmal erwähnt hätte. Ein Rücktrittsgrund, wie die Liberale Fraktion im Parlament fordert, ist eine getilgte Verurteilung nicht. Sie aber nie erwähnt zu haben - das wirft ein schiefes Licht auf den Willen von Barrot und damit auch der neuen Kommission zu Transparenz.