Herausgekommen ist alles nur durch einen Zufall: Ein Soldat erzählte einem anderen von den Praktiken einiger Ausbildner in der Kaserne in Coesfeld. Im Rahmen der Grundausbildung wurde eine Übung mit einer so genannten Geiselbefragung gemacht. Die jungen Soldaten wurden mit Kabeln gefesselt, mussten mit einem Sack über dem Kopf stundenlang knien und wurden dabei mit Wasser bespritzt, einige mit Stromstößen gequält.

Dem Rekruten kam die Behandlung zwar komisch vor, er beschwerte sich aber nicht. Vielmehr schlug der andere Soldat Alarm und lieferte die Vorlage dafür, was in den Medien am Montag als "Folterskandal" tituliert wurde.

80 Soldaten misshandelt

Der in Münster für den Fall zuständige Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer bestätigte, dass von Juni bis September Ausbildner rund 80 junge Soldaten auf diese Weise misshandelt haben. Am Montag wurden die Ermittlungen auch ausgeweitet: Die Zahl der Beschuldigten erhöhte sich von 17 auf 21.

Verteidigungsminister Peter Struck ging gleich in die Offensive. Alle Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen. "Es ist völlig eindeutig, dass die verantwortlichen Ausbilder dort ihre Dienstpflichten schwer verletzt haben, dass das in keiner Weise von uns toleriert werden kann und wir die entsprechenden Maßnahmen ergriffen haben", sagte Struck.

Struck wurden dann von Politikerkollegen und Journalisten Aussagen vorgehalten, die er in Zusammenhang mit den von US-Soldaten verübten Folterungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib gemacht hat. Struck hatte damals kategorisch behauptet: Deutsche Soldaten würden niemals foltern.

Der SPD-Politiker betonte am Montag, er bleibe bei dieser Aussage. "Es handelt sich hier um keine Folter in dem Sinne, dass man von einem Gefangenen Informationen erpressen will." Der Anwalt eines Ausbildners beteuerte, die Rekruten hätten die Übung "jederzeit abbrechen können". (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2004)