Die Verhaftung von 53 bekannten Unternehmern und Lokalpolitikern hat in der süditalienischen Region Basilicata ein politisches Erbeben ausgelöst. Allen Angeklagten werden enge Beziehungen zur Mafia vorgeworfen. Der Untersuchungsrichter von Potenza, Alberto Jannucci, hat auch einen Haftbefehl gegen den Forza-Italia-Abgeordneten Gianfranco Blasi erlassen. Über dessen Verhaftung muss nun der für Immunitätsfragen zuständige Kammerausschuss befinden.

Unter den Mitangeklagten befinden sich der christdemokratische Abgeordnete Antonio Potenza und sein Kollege Antonio Luongo von den Linksdemokraten. Ermittlungen laufen gegen die Präsidenten des Landtags und der Landesregierung, gegen zwei Landesräte und gegen den Bürgermeister der Regionalhauptstadt Potenza.

Die Anklage lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrug, Geldwäsche, Korruption und Erpressung. Unternehmer und Politiker sollen im Einvernehmen mit einem lokalen Mafiaclan gehandelt haben, dessen Vertreter Renato Martorano und Giovanni Quarantino ebenfalls festgenommen wurden.

Mädchenhandel

Im Zuge derselben Ermittlungen waren vor einer Woche in mehreren italienischen Regionen 33 Verdächtige festgenommen worden, die beschuldigt werden, Mädchen aus Osteuropa nach Italien geschleust und zur Prostitution gezwungen zu haben.

Die Mafiaaffäre in Basilicata legt nur zwei Wochen nach einem ähnlichen Skandal in Kalabrien erneut die Querverbindungen zwischen Politik und Mafia bloß. In Reggio Calabria hatten die Staatsanwälte den ehemaligen Forza-Italia-Abgeordneten Amedeo Matacena und mehrere Unternehmer der Landeshauptstadt verhaften lassen. Ihnen wird Zusammenarbeit mit der Mafiaorganisation N'Drangheta vorgeworfen.

Für Aufsehen sorgten vor allem die Ermittlungen gegen die Vizepräsidentin der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission, Angela Napoli, und den Staatssekretär im Justizministerium, Giuseppe Valentino. Die beiden Parlamentarier der Nationalen Allianz wiesen alle Vorwürfe zurück. Beiden wird vorgeworfen, die gerichtlichen Ermittlungen massiv behindert zu haben.

Mafia in der Krise

Hunderte von der Staatsanwaltschaft abgehörte Telefongespräche beweisen enge Kontakte zwischen der N'Drangheta und lokalen Politikern. Reggio Calabria ist die Stadt mit der höchsten Zahl von Gewaltverbrechen in Italien.

Experten stellen eine zunehmende Verquickung von politischen Entscheidungsträgern und dem organisierten Verbrechen fest und führen das vor allem auf eine Krise innerhalb der Mafia zurück. Mafiaforscherin Letizia Paoli zum Beispiel zählt die "ehrenwerte Gesellschaft" zu den Verlierern der Globalisierung. Speziell die kalabresische N'Drangheta sei von Kolumbianern, Spaniern und Niederländern aus dem Kokainhandel verdrängt worden.

Momentan halte sich die Mafia mit Schutzgelderpressungen und der Manipulation von staatlichen Ausschreibungen über Wasser, während ihre Kosten wegen der vielen Verhaftungen stark gestiegen seien. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2004)