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Die Proteste irakischer Hilfsbedürftiger blieben ohne Erfolg. Ihre Geiselnehmer erschossen Margaret Hassan, die Care-Direktorin für den Irak, in der vergangenen Woche.
In "asymmetrischen Konflikten" scheinen alle Maßstäbe abhanden zu kommen. Im Irak und in Afghanistan etwa können selbst private Hilfsorganisationen kaum noch operieren. Die Lage ist zu gefährlich, die Bedrohungen für die Helfer sind unkalkulierbar geworden - nicht erst seit dem Mord an der britisch-irakischen Care-Direktorin Margaret Hassan vergangene Woche.
Noch vor der Todesmeldung hat Care alle Aktionen im Irak suspendiert. Die "Ärzte ohne Grenzen" (Médecins sans Frontières, MSF) zogen sich bereits Anfang November aus dem Land zurück. "Wir konnten die Sicherheit unserer Mitarbeiter nicht mehr garantieren. Die Risiken sind extrem", erklärt Marc Joolen, der belgische Einsatzverantwortliche für den Irak und Afghanistan, dem STANDARD.
Und das habe im Wesentlichen zwei Gründe: US-Außenminister Colin Powell habe "humanitäre Hilfe als Mittel für den politischen Zweck" klassifiziert. In Afghanistan hätten US-Bomber Flugblätter abgeworfen, die Hilfeleistung im Tausch gegen Informationen über Al-Kaida versprachen. Joolen: "Damit ist die Überparteilichkeit jeglicher Helfer diskreditiert."
MSF hat sich nach einem Mordanschlag, dem fünf seiner Mitarbeiter zum Opfer fielen, im Juli nach 24 Jahren auch aus Afghanistan zurückgezogen. Im Irak wollte man nicht warten bis ein MSF-Helfer verschleppt wird: "Auch deswegen, weil wir nicht von Aufständischen als Propagandamarionetten machen lassen wollen." Dutzende Geiseln sind in deren Hände oder in jene gewöhnlicher Krimineller gefallen, die "nur" Lösegeld erpressen wollten. Mindestens 35 haben ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt.
Trotz des Aufrufes des irakischen nationalen Sicherheitsberaters Muffawak al-Rubaije ("Die Iraker brauchen dringend Hilfe, ein Abzug bedeutet einen Sieg für die Terroristen"), gaben in den vergangenen Tagen auch World Vision und die französische Organisation Action contre la Faim (Aktion gegen den Hunger) ihren Rückzug aus dem Land bekannt.
Für Dominic Nutt von der britischen Hilfsorganisation Christian Aid ist klar: "Wie Margaret Hassans Tod nahe legt, sind wir jetzt alle Ziele." Jean-Dominique Bunel, bis Mitte September Koordinator von 60 NGOs in Bagdad, beschreibt die Situation fast ident: "Ausländische Helfer sind leichte Zielscheiben."
Die Lage habe sich noch verschlimmert, seit Silvio Berlusconi unbedingt einen außenpolitischen Erfolg brauchte und die römische Regierung für zwei entführte Italienerinnen Lösegeld bezahlt habe. Simona Pari und Simona Toretta von der Organisation Un Ponte per Bagdad (Eine Brücke für Bagdad) kamen mithilfe Bunels Ende September frei - für eine Million US-Dollar in bar. Es habe sich, so Bunel, nachgerade eine Kidnapper-Industrie im Irak etabliert, die auf Ausländer spezialisiert sei. Geiselnahmen von Irakern seinen ohnehin an der Tagesordnung.