Dieser Mann ist nicht aufzuhalten.

Wien/Houston - Stefan Koubek hat Roger Federer bereits eine SMS geschickt. Gratuliere, stand darin, ein einwandfreies Danke kam von Houston nach Wien zurück. Freundschaften müssen gepflegt werden. "Ich beglückwünsche ihn halt öfter als er mich." Es ist zwar nicht so, dass man einander die intimsten Details verrät, "aber wir verstehen uns, sprechen viel. Nicht nur übers Tennis".

Zahlen zum Tennisspieler Federer: Heuer hat der 23-jähriger Schweizer elf Turniere gewonnen, davon drei Grand Slams (Australien, Wimbledon, US Open). Die Matchbilanz lautet 74:6, das 6:3, 6:2 im Finale des Masters Cup gegen Lleyton Hewitt war der 23. Erfolg hintereinander über einen aus den Top Ten. Federer hat 13 Endspiele in Serie als Erster beendet, der Lauf begann im Oktober 2003 in Wien. 2004 hat er 6,7 Millionen Dollar Preisgeld kassiert, insgesamt hält er bei 14 Millionen.

Koubek, mit diesen Statistiken konfrontiert: "Ich verstehe das nicht, ich bewundere ihn. Er ist ein Gott, ruft immer das Richtige ab. Ich traue ihm alles zu, er kann sämtliche Rekorde brechen." Imponierend sei das Verhalten abseits des Platzes. "Er lässt alle Verpflichtungen mit einem Lächeln über sich ergehen, dürfte stressresistent sein. Roger ist völlig normal geblieben. Ich hätte längst ein Burnout-Syndrom."

Daviscup-Captain Thomas Muster sieht in der Dominanz eines Einzelnen nichts Außergewöhnliches. "Man soll Generationen miteinander nie vergleichen. Aber es gab auch einen Borg, einen McEnroe, einen Lendl, einen Becker, einen Sampras, einen Agassi." Federer besitze eben zwei Schläge mehr als die Konkurrenz. "Guter Aufschlag, gute Grundschläge. Und er ist schneller auf den Beinen. Beim Rest sind Schwächen offensichtlich, bei Roddick das Grundlinienspiel, bei Safin die mangelnde Einstellung."

Was Muster bei Federer vermisst, sind diverse Ecken und die dazugehörigen Kanten. "Dafür, wie gut er ist, ist er zu unbekannt. Entweder ist er schlecht vermarktet, oder er gibt wenig her. Man müsste ihn in eine Art Besenkammer stecken." Besenkammer, dies zur Erklärung, ist jener grindige Ort in London, in dem einst Boris "Bumm" Becker aus Frust ein ehemaliges Fotomodell geschwängert hat. Soll natürlich nicht heißen, dass Muster dem grundsoliden Federer so eine Aktion nahe legt.

Kein Trainer

Erstaunlich und auch nicht ist die Tatsache, dass Federer seit fast einem Jahr ohne Trainer auskommt. Daran dürfte sich nichts ändern, der Kontakt zu Tony Roche ist lose. Muster: "Auf so einem Level braucht man eher einen, der gut Karten spielt." Und Koubek ergänzt: "Dem kann eh keiner etwas Neues sagen."

Federer selbst meinte nach dem Saisonfinale: "Es war ein märchenhaftes Jahr. Es hat gut begonnen und ging einfach so weiter." Koubek: "Ich verstehe das eigentlich nicht." (DER STANDARD Printausgabe 23. Oktober 2004, Christian Hackl)