Bagdad - Eine Woche nach Veröffentlichung seines Films über die Erschießung eines wehrlosen Irakers durch US-Soldaten in einer Moschee hat NBC-Reporter Kevin Sites am Montag neue Vorwürfe gegen die Streitkräfte erhoben. In einem auf seiner Internet-Seite veröffentlichten Bericht stellte der Journalist klar, dass von dem getöteten Iraker keine Gefahr ausgegangen sei. US-Soldaten hätten in derselben Moschee in der Rebellenhochburg Falluja scheinbar zwei weitere Iraker getötet. Die US-Armee hat zu dem Fall Ermittlungen wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen eingeleitet. Den mutmaßlichen Todesschützen zog sie vom Kampfeinsatz zurück.

Erstmals sei er am 12. November mit einer Einheit von US-Marineinfanteristen in der Moschee gewesen, schrieb Sites. Dabei seien zehn Aufständische getötet und fünf verwundet worden. Die Verletzten seien zurückgelassen worden. Sie sollten später abtransportiert werden. Tags darauf sei er mit den Soldaten erneut in die Moschee gegangen, nachdem berichtet worden sei, Aufständische hätten diese zurückerobert. Dieses Mal hätten sie eine andere US-Einheit angetroffen. Auf die Frage, ob sich jemand in der Moschee befinde, habe ein Soldat fünf Finger hochgehalten. Dann habe einer der von Sites begleiteten Soldaten gefragt: "Habt ihr sie erschossen?" Sein Gegenüber habe dies bejaht. Die Frage, ob die Iraker bewaffnet gewesen seien, wurde Sites Internet-Bericht zufolge dagegen nur mit einem Achselzucken beantwortet.

Verwundete waren unbewaffnet

In der Moschee habe er die am Vortag zurückgelassenen fünf Verwundeten wiedererkannt, berichtete Sites weiter. "Es schien so, als ob einer von ihnen jetzt tot war und drei an frischen Schusswunden verbluteten", schreibt Sites. "Ich habe mir den Toten und die Verwundeten genau angesehen. Es schien nicht so, als ob sie irgendwelche Waffen bei sich hatten". Während Sites gefilmt habe, habe einer der US-Soldaten bemerkt, dass ein Iraker sich nur tot stelle. Durch den Sucher seiner Kamera habe er gesehen, wie der Soldat die Mündung seines Gewehrs auf den Mann gerichtet habe. "Es gab keine plötzlichen Bewegungen, kein Greifen oder plötzliches Hervorstürzen", stellte Sites klar. Nach Sites' Auffassung stellte der Verwundete keinerlei Bedrohung dar.

Um sicher zu sein, hätten ihn die Soldaten durchsuchen können, schrieb der Fernsehjournalist weiter. "Stattdessen hat er den Abzug gedrückt." Sites will den Soldaten anschließend gesagt haben, es habe sich bei den Männern um bereits entwaffnete Kriegsgefangene gehandelt. Der Schütze habe daraufhin beteuert: "Ich wusste das nicht, Sir. Ich wusste das nicht". Seine anfängliche Wut sei sofort in Verängstigung umgeschlagen.

Sites erklärte, er habe mit sich gerungen, ob er das Videoband veröffentlichen sollte. "Ich kann nicht wissen, was in seinem Kopf vorging. Der Soldat selbst ist der einzige, der das weiß". Er fügte allerdings hinzu, als erfahrener Kriegsberichterstatter, dem Gefahren ständig bewusst seien, habe er sofort das Gefühl gehabt, etwas sei nicht in Ordnung gewesen.

Hilfskonvoi erreicht umkämpfte Stadt

Der irakische Rote Halbmond hat am Montag Nahrungsmittel und medizinische Hilfsgüter in die umkämpfte Stadt Falluja gebracht. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf war es das erste Mal seit Beginn der US-Offensive vor zwei Wochen, dass eine unabhängige Organisation das Stadtzentrum von Falluja erreichte.

Ein IKRK-Sprecher in Bagdad sagte, der Konvoi habe aus Krankenwagen und Lastwagen mit Decken, Trinkwasser und Erste-Hilfe-Material bestanden. Von den Behörden sei dem Roten Halbmond mitgeteilt worden, es sei nicht sicher, länger als einen Tag in Falluja zu bleiben. Vor einer Woche wurde ein Konvoi des Roten Halbmonds aus Sicherheitsgründen vor den Toren der Stadt abgewiesen, in der die US-Streitkräfte in einem Großeinsatz gegen Rebellen vorgehen.

(APA/Reuters)