Gießen - Beim "Warmrechnen" wirkte Gert Mittring noch ein wenig verkrampft. "Weil ich hier auf Geschwindigkeit rechne, erhöht sich natürlich die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums", wappnete sich der 38-Jährige für einen möglichen Fehlschlag. Die Generalprobe ging prompt daneben, der Rechenkünstler aus Bonn verrechnet sich. Doch als es ernst wurde, klappte alles reibungslos: In 11,8 Sekunden zog Mittring am Dienstagabend im Gießener Museum "Mathematikum" die 13. Wurzel aus einer zufällig ausgewählten 100-stelligen Zahl - ein neuer Weltrekord.

Allein um eine solche Zahlenkolonne zu tippen, sagte Museumsleiter Albrecht Beutelspacher, brauche man mindestens 15 Sekunden. Mittring aber führt in dieser kurzen Zeitspanne hochkomplexe mathematische Operationen durch - im Kopf, ohne Taschenrechner oder sonstige Hilfsmittel. Denn die 13. Wurzel zu ziehen heißt, die Zahl zu finden, die 13 Mal mit sich selbst multipliziert die vorgegebene 100-stellige Zahl ergibt. Mit dem Rekord hat Mittring die Bestmarke des Franzosen Alexis Lemaire von 13,55 Sekunden geknackt - und die eigene Bestzeit um fast eine halbe Minute unterboten.

"Eingrenzung"

Dass gerade die 13. Wurzel gezogen wird, erklärte Beutelspacher mit einer besonderen Eigenschaft: Im Gegensatz zu anderen Wurzelaufgaben sind die Endziffern von gesuchter und vorgegebener Zahl immer identisch. Mittrings Weltrekordlösung - 47.941.071 - endet ebenso wie die 100-stellige Zahl mit einem Einser. Die Antwort lässt sich zudem auf eine Größenordnung zwischen 40 und 50 Millionen eingrenzen. Als der Computer die Zahlenreihe ausspuckt und auf eine Leinwand projiziert, bleibt dennoch viel Spielraum für Fehler. Gleich zwei Mal bleibt der Blitzrechner aber unter der Schallgrenze von 13,55 Sekunden.

Während Mittring beim Rekordversuch zumindest einige Sekunden lang hoch konzentriert vor sich hinmurmelte, löste er Multiplikationen wie "3.545 mal 4.587" in Null-Komma-nichts - als ob es eine Aufgabe vom Typ "3 mal 2" sei. Scheinbar mühelos bestimmt er auch Wochentage ("Der 18. Juni 2060 ist ein Freitag") und füllt "magische Quadrate" aus - Zahlenfelder, bei denen die Addition jeder Zahlenreihe dieselbe Summe ergibt. Der Informatiker mit zwei Doktortiteln in Pädagogik und Psychologie ist hoch begabt, sein Intelligenzquotient liegt nach eigenen Angaben bei 145. Normal sind Werte zwischen 90 und 110.

Die Wurzel des Erfolgs ist für den 38-Jährigen die Leichtigkeit, die er seit Kindesbeinen im Umgang mit Zahlen hat. Sein einziger Trick, um insgesamt 25 Weltrekorde im Kopfrechnen aufzustellen: Er versuche, Lösungen abzuschätzen und Rechenmethoden zu vereinfachen - Training sei daher kaum nötig. (APA/dpa)