Italien tritt für eine Lockerung der Maastricht-Kriterien ein. Regierungschef Silvio Berlusconi hat den EU-Ratsvorsitzenden Jan Peter Balkenende aufgefordert, das Thema beim nächsten Gipfel der Staats-und Regierungschef auf die Tagesordnung zu setzen. Eine ausführliche Diskussion darüber sei "dringlich". Dagegen warnte der in die italienische Innenpolitik zurückgekehrte Berlusconi-Gegenspieler Romano Prodi vor einer Lockerung der Stabilitätskriterien. Die hohe Staatsverschuldung Italiens bleibe "unabhängig von Maastricht ein ernstes Problem", so Prodi.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Hans Gert Pöttering, erklärte im Corriere della Sera, die Mehrheit seiner Fraktion sei gegen eine Änderung der Spielregeln von Maastricht. Die Opposition wertete Berlusconis Vorstoß als Versuch, "von der dramatischen innenpolitischen Krise" abzulenken. Das Rechtsbündnis wird seit Wochen durch einen Streit über die geplanten Steuersenkungen gelähmt.

Bei Ablehnung seiner Vorschläge drohte Berlusconi den Koalitionsparteien mit vorgezogenen Neuwahlen. Dabei werde Forza Italia "kein Bündnis mit Parteien eingehen, für die Steuersenkungen kein Anliegen sind", warnte Berlusconi. Die Christdemokraten sprachen von einem "Akt des Masochismus". Jüngsten Umfragen zufolge liegt das oppositionelle Ölbaum-Bündnis derzeit acht Prozentpunkte vor der Regierungskoalition.

Um die für Berlusconi unverzichtbaren Steuersenkungen zu finanzieren, muss Wirtschaftsminister Domenico Siniscalco zusätzliche Budgetkürzungen von neun Milliarden Euro vornehmen. Das Sparpaket soll am Freitag bei einem Gipfel der Regierungsparteien geschnürt werden. Doch die Nationale Allianz und die Christdemokraten wollen zunächst konkrete Zahlen sehen. UDC-Parteichef Marco Follini: "Wir haben es satt, über Phantome zu diskutieren."

24 Vertrauensvoten

Indes hat die Regierung am Mittwoch im Parlament zum 24. Mal die Vertrauensfrage gestellt, um ein Gesetz zur Legalisierung von Schwarzbauten in Naturschutzgebieten durchzudrücken. Nur einen Tag zuvor war ein Gesetz zur Reduzierung der Verjährungsfristen an der Gegenstimme der Christdemokraten gescheitert. Nutznießer der Maßnahme wäre der wegen Korruption verurteilte Berlusconi-Intimus Cesare Previti. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2004)