Die heimische Elektronikmusikerin Eva Jantschitsch veröffentlicht als "Gustav" mit der CD "Rettet die Wale" eines der erstaunlichsten Debüts der letzten Jahre. Politische Musik, gedeutet als menschenfreundlicher Pop.
Wien – Während ihre männlichen Kollegen vom strengen Orden der neueren elektronischen Musik die letzten Jahre vor allem damit verbrachten, sich zunehmend über immer noch feinere und abstraktere Bubenmusikangebereien am Heimcomputer und schließlich den unverbindlichen Sound und nicht den deklarierenden Song zu definieren, ging Eva Jantschitsch einen völlig anderen Weg. Die 26-jährige Grazerin, derzeit Studentin der digitalen Kunst an der Wiener Angewandten, besitzt immerhin erst seit zwei Wochen ein eigenes Laptop.
Vorher musste sie, um Musik zu machen, auf ein offenbar heute dank moderner Technik überholt geglaubtes soziales Modell zurückgreifen, das man zwischen I-Cubes und Pro-Tools längst überwunden glaubte. Musik ist/ war ein sozialer Akt – Musik meinte zumindest einmal soziale Interaktion.
Musik bedeutet hoffentlich auch noch immer Kommunikation. Man leiht, man borgt, man lädt sich befreundete Musiker nach Hause ein und bezahlt sie mit einem Abendessen unter Freunden. Herausgekommen ist dabei über zwei Jahre Arbeit mit der Wohnung als Kommandozentrale eine Form von menschenfreundlicher, warm fließender, melodiöser und vor allem auch politisch gedeuteter Popmusik, wie man sie aus Österreich seit mindestens zehn Jahren schmerzlich vermisst.
Wie damals beispielsweise die vergleichbaren Wiener Extended Versions um Christof Kurzmann schon beeindruckend vorführten und -lebten, kommt es bei Liedern mit Haltung keineswegs darauf an, diese mit größtmöglicher Vehemenz zum Ausdruck zu bringen. Ausgehend von der sanftmütigen Bestimmtheit eines Robert Wyatt oder auch einer Laurie Anderson geht es Eva Jantschitsch darum, textliche Intensität über die noble Form der Zurückhaltung zu erreichen.
Jantschitsch, die den Künstlernamen Gustav gerade auch wählte, um klassische Erwartungs- und Rezeptionshaltungen von "weiblicher Musik" zu brechen, im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich kann weder mit diesen chauvinistischen Zugängen von Männern zur Musik etwas anfangen, die sich nach wie vor immer noch darum drehen, wer denn nun der tollste Hecht im Teich sei. Noch will ich irgendwelche unbedarften Lalala-Texte heruntersingen. Das reduziert doch eine Person nur zu einer weiteren inhaltsleeren Hülle, die irgendwo neben Bass und Schlagzeug 'I love you' dahinsäuselt."
Subtil bösartig
Mit Computersamples und eher skurrilem Equipment wie Violine, Blockflöte, Xylofon, Akkordeon, Billigsdorfer-Gitarrenverzerrungen, Cello oder Klavier entstanden zu billigen und keineswegs dominanten Drumcomputersounds aus der Frühzeit der elektronischen Musik künftige Klassiker.
Gerade der sich an 50er-Jahre-Orchester-Schmusesounds im Sinne von Julie London oder Henry Mancini anlehnende Titelsong der CD, von Jantschitsch vorgetragen mit einer an eine unhysterisch gestimmte Björk erinnernden Subtilität und bewusst aufgesetzten Naivität, die allerdings schon mehr in den Bereich der Hinterfotzigkeit weist, muss als beispielhaft angesehen werden: "Rettet die Wale und stürzt das System, und trennt euren Müll, denn viel Mist ist nicht schön!" Auch in Stücken wie Mein Bruder, einer mild-monoton wummernden Verarbeitung von 9/11-Eindrücken ("Mein Bruder war ein amerikanischer Patriot, tapfer, stark und gläubig, Familienvater und Pilot ...") oder Linzserenade werden Songs produziert, die Haltung beweisen. Das hörte man in letzter Zeit nicht oft: "In Linz gibt es viel Polizei – und trotzdem bin ich allein."
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11.2004)