Linz - Wo der Philosoph Hegel noch mit dem Begriff "Herr-Knecht-Dialektik" gesellschaftliche Ungleichheiten und Abhängigkeiten analysierte, ist nach Ansicht der deutschen Soziologin Susanne Schunter-Kleemann unter globalisierten Rahmenbedingungen zusätzlich die "soziale Spaltung der Frauen" in "Herrinnen und Mägde" zu konstatieren. Im Rahmen einer internationalen Fachtagung in Linz, bei der Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik neue Konzepte für wohlfahrtsstaatliche Sozialleistungen und Strategien zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut diskutierten, referierte die Sozialforscherin aus Bremen über die "Feminisierung der Armut". Geschlechtervertrag Schunter konstatierte eine "Diversifizierung des Geschlechtervertrages", ausgelöst durch die "neoliberale" Transformation der Arbeitsmärkte und sozialen Sicherungssysteme in Europa, die "keine neuen solidarischeren Formen der geschlechtlichen Arbeitsteilung, sondern neue Formen der Arbeitsbewertung" erzeuge. "Hoch- und überbewerteten Jobs in der Finanz- und Informationsbranche" stünden "niedrig- und unterbewertete Jobs, die vor allem von Frauen verrichtet werden", gegenüber. Zwar gleiche sich die soziale Lage von berufstätigen Frauen und Männern aus dem mittleren und oberen Segment allmählich an. Die Unterschiede zwischen berufstätigen Frauen und privaten Dienstleisterinnen verschärften sich aber. Opfer dieser "Refeudalisierung der Hausarbeit", so Schunter, seien vor allem Migrantinnen, die als Dienstpersonal in nicht gesicherten Jobs arbeiteten und eine neue "ethnisierte, weibliche Unterschicht" bildeten. Frauen als Hauptbetroffene der Arbeitsmarktdynamik machte auch der Wiener Politikwissenschafter Emmerich Talos aus. Die Verbreitung so genannter atypischer Beschäftigungsformen (Teilzeit-, Leih-, befristete oder geringfügige Arbeitsverhältnisse), in denen Frauen weit überrepräsentiert sind, sei neben der steigenden Arbeitslosigkeit eine der wesentlichen Ursachen für ein steigendes Armutsrisiko. Sozialstaatliche Absicherung müsse darauf reagieren und atypische Beschäftigungsformen mit "Normalarbeitsverhältnissen" sozialrechtlich gleichstellen. "Die zukünftige Sozialpolitik findet auf EU-Ebene statt", plädierte Josef Weidenholzer, Professor für Gesellschaftspolitik an der Uni Linz, für ein "europäisches Sozialmodell, das hilft statt straft und das Individuum durch eine gut dotierte Existenzsicherung stärkt". (nim)