Im US-Geheimdienst CIA herrscht Aufruhr und Untergangsstimmung. Mit dem am Donnerstag gemeldeten Rücktritt zweier weiterer führender CIA-Leute ist das Dutzend jener bald voll, die in den vergangenen Wochen gefeuert worden oder abgetreten sind. Im Kern geht es darum, für wen die CIA arbeitet - für den Staat oder für die jeweilige Politik des Präsidenten.

Weil im Präsidentschaftswahlkampf pessimistische CIA-Einschätzungen über die Entwicklung im Irak an die Öffentlichkeit kamen, beschuldigte das Bush-Lager den Dienst, Kerry zu bevorzugen. Der von Bush eingesetzte neue CIA-Chef Porter Goss veranstaltete daraufhin ein Köpferollen und gab die Order aus, dass der Geheimdienst nur für die Regierung zu arbeiten habe. John McLaughlin, bisher die Nummer 2, hielt dagegen, dass es der Job der CIA sei, "die Dinge so zu nennen, wie wir sie sehen".

Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass unter Bush ausgerechnet die CIA, seit ihrer Gründung 1947 der Inbegriff für das Zwielichtige an der Machtpolitik der USA, in eine existen^zielle Krise gerät. Früher wurde ihr vorgeworfen, Gefahr für US- Interessen nur links zu vermuten und mit illegalen Methoden zu bekämpfen (das Fiasko der Kuba-Invasion 1961, Chile- Putsch 1973). Der Griff der Mullahs nach der Macht im Iran und dann die Bedrohung durch Bin Laden wurden aber übersehen.

Jetzt versucht offenbar Verteidigungsminister Donald Rumsfeld möglichst viele Geheimdienstagenden an sich zu reißen. So berichten US-Medien trotz seiner Dementis, dass er ein Gesetz zu Fall gebracht habe, das ihm durch die Installierung eines neuen Chefs über alle - auch militärische - Geheimdienste Macht gekostet hätte. Derzeit lässt Bush prüfen, ob bisher der CIA vorbehaltene paramilitärische Geheimaktionen im Ausland künftig vom Pentagon durchgeführt werden sollen. Es sagt viel über die Geisteshaltung dieser US-Regierung, wenn jetzt schon die CIA als zu bekämpfendes Bollwerk des Realismus gilt. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2004)