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Ein Plakat des offiziellen Wahlsiegers Janukowitsch prangt vor der Barrikade der Polizisten in Kiew.

Foto: EPA/DMITRIY CHEBOTAEV
Kiew/Moskau - Mit Besorgnis blickt das Ausland auf die sich zuspitzende Lage in der Ukraine. Seit am Mittwoch der Kandidat der Staatsmacht, Viktor Janukowitsch, offiziell zum Wahlsieger erklärt wurde, nehmen die Proteste gegen die Wahlmanipulationen zu. Die Opposition forciert den Generalstreik. Ausländische Vermittler wie der frühere polnische Präsident und Führer der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, Lech Walesa, sind unterdessen eingetroffen, um in die verhärteten Fronten zum Dialog zu bringen.

Die Zeit, auf die die Machthaber in der Ukraine setzen wollen, spielt nicht für sie. Vermutlich war eines der Planszenarien, den Konflikt auszusitzen, weil der Protest ohnehin kleiner würde. Zumindest damit hatten sie sich offensichtlich verkalkuliert.

Promis treten auf

Schon am vierten Tag wächst die Zahl der Demonstranten. Ungebrochen gut ist deren Stimmung im ganzen Land. Der Kiewer Unabhängigkeitsplatz versank auch am Donnerstag in einem Demonstrantenmeer, das gegen die offenkundigen Wahlfälschungen vom Sonntag ankämpft und den Sieg für den westlich orientierten Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko zurückfordert. Am Vorabend schon war die Stimmung angeheizt worden, als Ukraines Promiszene vor den Demonstranten unterstützend auftrat: Boxprofi Vladimir Klitschko etwa, oder die Songcontest-Siegerin Ruslana riefen zum Frieden auf.

Die Angst um ihn wächst. Auch wenn die Menge guter Dinge ist, die Emotionen nehmen zu. Die bisher friedliche Stimmung könne kippen, sagte der Botschafter der OSZE für die Wahl, Geert Ahrens, am Donnerstag im Deutschlandfunk: "Beide Seiten sind nicht wirklich bereit, miteinander zu sprechen." Außerdem vertiefe sich die regionale Spaltung des Landes. Beide Lager rufen ihre Anhänger zur Zurückhaltung auf, was bisher gelang.

Scharf dementieren ließ Russlands Verteidigungsminister Iwanow Gerüchte, dass russische Spezialtruppen in der ukrainischen Präsidialverwaltung postiert und Truppen in der Ukraine eingetroffen sind. Juschtschenko versuchte, das Militär auf seine Seite zu ziehen: "Wir atmen dieselbe Luft, wir haben ein Land und eine Verfassung - schließt euch dem Generalstreik an." Seit die Oberste Wahlkommission Mittwochabend Premier Viktor Janukowitsch offiziell zum Wahlsieger erklärt hatte, spitzt sich die Situation zu. Juschtschenko rief zum Generalstreik auf, die Opposition legte beim höchsten Gericht des Landes Beschwerde gegen die Wahlkommission ein, die man der Fälschungen bezichtigt.

Der einzige Ausweg aus der Situation ist die Annullierung des Wahlergebnisses von beiden Seiten, sagte Juschtschenko. Beobachter sehen als möglichen Kompromiss nur eine Wiederholung der Stichwahl. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2004)