Lienz/Innsbruck - Neue Entwicklung im Sorgerechtsstreit um die sechsjährige Yasemin aus Osttirol: Das Mädchen wurde Freitagfrüh auf dem Schulweg von einer Gerichtspsychologin und einem Gerichtsvollzieher abgeholt. Ihre Mutter hatte vor zwei Jahren ihren türkischen Mann verlassen und war zusammen mit der Tochter aus Istanbul nach Lienz geflüchtet. Dem Mann wurde in seiner Heimat das Sorgerecht zugesprochen.Vater will das Kind zurückholen

Seit Monaten versucht der Vater nun, das Kind zurückzuholen. Anfang September hatten Tiroler Gerichte entschieden, dass Yasemin nach dem internationalen Abkommen über Kindesentführung zum Vater zurückgebracht werden muss. Während dieser bereits auf dem Weg nach Österreich war, fasste das Bezirksgericht Lienz zwei Wochen später einen aufschiebenden Beschluss. Ein Gutachten solle erst klären, ob dem Kind bei der zwangsweisen Übergabe an den Vater irreparabler psychischer Schaden drohe.

Gerichtsbeschluss

Gestern wurde das Mädchen nun weggebracht. Franziska K. wurde ein entsprechender Gerichtsbeschluss ausgehändigt. Die Frau fürchtete, dass ihre Tochter nach Wien gebracht werden und von dort in die Türkei ausgeflogen werden könnte.

Gericht blieb ohne Stellungnahme

Die für Jugendwohlfahrt zuständige Landesrätin Christa Gangl (SP) übte Kritik: "Dass nun - was rechtlich möglich sein mag - die Abnahme durchgeführt wird, ohne dass der Rechtsvertretung des Kindes und der Mutter zuvor eine Rechtsmittelmöglichkeit eingeräumt wird, erscheint mir bedenklich." Das Oberlandesgericht in Innsbruck gab am Freitag keine Stellungnahme ab.

"Fall Christian" Erinnerungen an den Obsorgestreit, den ein Salzburger und seine in Schweden lebende Exfrau um ihren Sohn Christian führten, werden wach. Die TV-Bilder, die zeigten, wie sich der Achtjährige in Großgmain mit Schlägen und Schreien dagegen wehrte, von zwei Gerichtsvollziehern ins Auto gezerrt zu werden, lösten im Jänner Diskussionen aus. Der Bub lebt jetzt bei seiner Mutter in Schweden. Am Salzburger Landesgericht wurde im September entschieden, dass das Sorgerecht weiterhin bei der Mutter bleibt. (APA, fern, DER STANDARD Printausgabe 27/28.11.2004)