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Der japanische Forschungsreaktor Naka

Foto: APA/dpa
Wien - Der Traum von der Kernfusion als vergleichsweise saubere, sichere und nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist viele Jahrzehnte alt und begann mit einem Alptraum - in Form der ersten Zündung einer Wasserstoffbombe am 1. März 1954 in der Nähe des Bikini-Atolls. Dabei wurde das gleiche physikalische Prinzip angewendet, das dereinst so genannte Fusionsreaktoren mit Energie versorgen soll. Das Hauptproblem für die friedliche Nutzung der Fusion ist schlicht die Wahl der Materialien, welche Hitze und Neutronenstrahlung aushalten, sagte der Physiker Hannspeter Winter, Leiter des Euratom-Koordinationsbüros bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber der APA.

Bei der Zündung der H-Bombe passierte für einen kurzen Augenblick das, was in der Sonne kontinuierlich abläuft und damit auch unseren Planeten mit Energie versorgt: Es verschmelzen zwei Wasserstoff-Atomkerne zu einem Heliumkern und dabei werden enorme Energien frei. Damit sich die Kerne vereinigen können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Atomkerne sind nämlich positiv geladen und stoßen einander elektromagnetisch ab. Erst wenn sie sich entgegen dieser abstoßenden Kraft mehr oder weniger berühren, kommt ein neuer Faktor ins Spiel, nämlich die so genannte Kernkraft. Diese ist wesentlich stärker als die abstoßende elektromagnetische Kraft und hält den neu entstandenen Kern zusammen.

Zusammengequetschte Teilchen

In der Sonne wird die abstoßende Kraft durch die hohe Masse des Sterns im Inneren überwunden. Die Teilchen werden, vereinfacht gesagt, durch die Gravitation so stark zusammengequetscht, bis die Kernkraft zwischen ihnen zu wirken beginnt. In der H-Bombe wurde die nötige Start-Energie für die Fusion dagegen mit einer kleinen Atom-Bombe produziert. Dabei entstehen kurzfristig Temperaturen von bis zu 50 Millionen Grad.

Die Hauptvoraussetzung für eine friedliche Nutzung der Kernfusion zur Energieerzeugung ist ein kontrollierter Ablauf der Vorgänge. Seit Jahren erprobt man die Sache weltweit in verschiedenen Forschungs-Fusionsreaktoren. Atombomben können zur Zündung der Fusionsvorgänge aus verständlichen Gründen nicht eingesetzt werden. Statt dessen wird der Wasserstoff - genauer gesagt seine beiden Isotope Deuterium und Tritium - hoch erhitzt, bis sich Atomkerne und Elektronen trennen und ein so genanntes Plasma entsteht.

Zündtemperatur

Mit Strom und elektromagnetischen Wellen wird so lange weiter erhitzt, bis die Wasserstoffkerne sich so heftig bewegen, dass sie die abstoßende Kraft überwinden. Ist die Zündtemperatur erreicht und kommt die Fusion in Gange, muss keine Energie mehr zugeführt werden. Im Gegenteil, es kommt wesentlich mehr Energie heraus, als investiert wurde.

Am erfolgreichsten waren die Forscher bisher beim 1983 gestarteten europäischen Kernfusionsprojekt JET (Joint European Torus), wo 1997 erstmals eine - kurzzeitige - Rekordfusionsleistung von zwölf Megawatt erzeugt wurde. Damit wurden bereits 65 Prozent der hineingesteckten Energie zurückgewonnen, später wurden sogar 90 Prozent erreicht.

Keine radioaktive Asche, aber strahlende Reaktor-Teile

Die Fusion hat gegenüber der Kernspaltung - wie sie in herkömmlichen Atomkraftwerken abläuft - entscheidende Vorteile. Vor allem entstehen gleichsam als Asche keine radioaktiven Spaltprodukte, die dann endgelagert werden müssten. Auch kann ein Fusionsreaktor - so versichern die Wissenschafter - nicht durchgehen.

"Das Fusionsprinzip ist bereits gut erforscht, auch die Plasmatechnik ist beherrschbar", so Hannspeter Winter. Die Hauptprobleme sind die verwendeten Materialien. Im Reaktor entstehen nicht nur enorme Temperaturen, sondern auch eine hohe Neutronenstrahlung. Diese Strahlung kann etwa Stahl zerstören und auch radioaktiv machen, was wieder zu Entsorgungsproblemen führen könnte. Der Wissenschafter ist überzeugt, die Probleme durch die Forschungen am internationalen Zentrum Iter in den Griff zu bekommen.

"Wir können schon Materialien herstellen die entweder nicht zerstört oder nicht radioaktiv aufgeladen werden, nun geht es darum, die beiden Eigenschaften etwa in Spezialstählen zu vereinigen", so Winter. Iter könnte in zwei bis drei Jahren in Bau gehen. Nach einer Bauzeit von weiteren acht Jahren würden dann - so der aktuelle Zeitplan - eine 20-jährige Forschungsphase beginnen. Aus heutiger Sicht könnte der Reaktor in 38 Jahren erstmals Strom erzeugen.

Österreich beteiligt sich bereits seit den 1950er Jahren an der Fusionsforschung. Österreich wendet für die von der Akademie der Wissenschaften koordinierte Arbeit rund 170.000 Euro jährlich auf.

Mit Iter planen die EU, Japan, die USA, Kanada, Russland, China und Südkorea den Bau einer Fusionsanlage nahezu in Kraftwerksgröße. Bei einer Fusionsleistung von 500 Megawatt soll der Reaktor erstmals ein für längere Zeit brennendes und Energie lieferndes Plasma erzeugen und damit physikalisch und technisch beweisen, dass es möglich ist, durch Kernverschmelzung Energie zu gewinnen. Außerdem sollen die wesentlichen technischen Funktionen eines Fusionskraftwerks entwickelt und getestet werden, etwa supraleitende Magnetspulen, das Abführen der erzeugten Wärme-Energie sowie die Entwicklung fernbedient auswechselbarer Komponenten.

Wie schon bei JET sollen bei Iter die beiden Wasserstoff-Isotope Deuterium (Wasserstoff mit einem zusätzlichen Neutron im Kern) und Tritium (Wasserstoff mit zwei zusätzlichen Neutronen im Kern) als Brennstoff verwendet werden. Deuterium kommt praktisch unbegrenzt im Meerwasser vor (rund 35 Gramm in jedem Kubikmeter Meerwasser), Tritium - das radioaktiv ist, mit einer Halbwertszeit von zwölf Jahren - kann aus dem häufig vorkommenden Leichtmetall Lithium gewonnen werden. (APA)