Wien - Vertreibung ist für den Menschen der Ersten Welt ein Wort, mit dem er zumeist keine persönlichen Erfahrungen verknüpft. Der Orpheus Trust, ein Wiener Verein zur Erforschung und Veröffentlichung vertriebener und vergessener Kunst, befasst sich in der viermonatigen Veranstaltungsreihe Douce France? mit dem Thema Frankreich als Exil-und Durchgangsland für vom NS-Regime verfolgte Musikschaffende. So wird etwa eine Ausstellung im Palais Clam Gallas zu Beginn 2005 das Thema "Musikerexil in Frankreich" abhandeln; ein internationales Symposium trägt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung bei.

An die 300 aus der Donaumonarchie oder ihrer Teilnachfolgerin, der Republik Österreich, stammende Frankreich-Exilanten hat die Leiterin des Orpheus Trust, Primavera Gruber, archivfest gemacht. Für die einen war Frankreich nur Raststation auf der Flucht. Andere integrierten sich in das Kulturleben und knüpften Verbindungen. Prominente Exilanten wie Robert Stolz - einer der wenigen vertriebenen Komponisten, dem von offizieller Seite erlaubt wurde, Tantiemen zu beziehen - unterstützten jene, die aufgrund ihrer Flucht vor dem Nichts standen.

Die aggressive Rassenpolitik Hitler-Deutschlands hatte Paris nolens volens zur Sammelstätte des kreativen nicht arischen Europas deutscher Zunge gemacht. "Stets junge Kräfte auf der Bühne" - so scherzte etwa der "Künstler-Klub Paris-Wien" auf seiner Ankündigung zum Kabarettprogramm "eigener Prägung" und ließ ein Turnmaxl "Kraft durch Freude" verlachen. Die Leitung des Kabaretts in der Rue Saint-Honoré hatte Leo Askenasy inne, unter den Künstlern: Lili Palmer.

Die Ausstellung Mouvement dans le Mouvement, zu sehen ab 2. Dezember in der Passagengalerie Künstlerhaus, ist Paul Arma gewidmet. Der vor 100 Jahren in Budapest als Imre Weishaus geborene Schüler von Béla Bartók bereiste schon in jungen Jahren als Konzertpianist ganz Europa, leitete eine Konzertreihe am Bauhaus, war in den frühen 30er-Jahren als Chor- und Orchesterleiter in Berlin tätig. 1933 flüchtete er vor der Gestapo nach Paris.

Arma war dort in diversen politischen Bewegungen tätig; schrieb zahlreiche Kampflieder für den Spanischen Bürgerkrieg, darunter das legendäre "No Pasarán!". Im Eröffnungskonzert von Douce France? werden neben Kompositionen von Arma auch Werke von Deutsch, Eisler und Glanzberg zu hören sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.11.2004)