Ramallah - Der in Israel inhaftierte Fatah-Politiker Marwan Barghuti verzichtet auf eine Kandidatur für die Nachfolge des verstorbenen Jasser Arafat als Palästinenserpräsident und ruft statt dessen zur Wahl des PLO-Chefs Mahmud Abbas (Abu Mazen) auf. Das geht aus einer Rede Barghutis hervor, die der palästinensische Minister ohne Geschäftsbereich, Kadura Fares, am Freitag nach einem Besuch im Gefängnis von Beerscheba verlas. Die Fatah, die größte Fraktion der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), hatte Abbas zuvor zu ihrem offiziellen Kandidaten für die Wahl am 9. Jänner nominiert. Zugleich kündigte die Fatah für das kommende Jahr Wahlen für ihre Führungsinstanzen an.

Zuvor war spekuliert worden, Barghuti werde seine Kandidatur offiziell bekannt geben. Der charismatische Chef der Fatah im Westjordanland wurde wegen seiner Popularität lange als möglicher Nachfolger des am 11. November verstorbenen Arafat gehandelt. Umfragen zufolge wollten mehr Palästinenser für ihn stimmen als für Abbas. Im Juni verurteilte ein israelisches Gericht den 45-jährigen Politiker wegen mehrfachen Mordes im Zusammenhang mit seiner führenden Rolle bei der Intifada, dem palästinensischen Aufstand gegen die israelische Besatzung, zu einer fünffachen lebenslangen Haftstrafe.

Minister Fares sagte, er habe Barghuti im Gefängnis besucht, um ihn über "die Situation in den Gremien und an der Basis der Fatah" zu informieren. Barghuti habe - so Fares - die "Söhne der Bewegung und seine Anhänger aufgerufen, den von der Fatah nominierten Mahmud Abbas zu unterstützen". Fares war der erste Abgesandte der Palästinenserführung, der im Gefängnis zu einem direkten Gespräch mit Barghuti zusammenkam. Dieser durfte seit seiner Inhaftierung im April 2003 lediglich von seinen Anwälten besucht werden.

Interne Wahlen am 4. August

Zuvor hatte die Fatah interne Führungswahlen für den 4. August 2005 angekündigt. An diesem Datum, dem Geburtstag von Arafat, soll auch der sechste Kongress in der Geschichte der Organisation stattfinden. Die fünfte und bisher letzte Versammlung war 1987 in der tunesischen Hauptstadt Tunis abgehalten worden. Bei den Wahlen sollen unter anderem das Zentralkomitee und der Revolutionsrat neu gewählt werden. Außerdem könne dort womöglich auch ein neues Programm der Bewegung verabschiedet werden.

Die Ankündigung galt als offensichtlicher Versuch, Barghuti zu beschwichtigen und von seiner Kandidatur für das Präsidentenamt abzubringen. Barghuti führt innerhalb der Fatah die so genannte "junge Garde", die auf einen Austausch der Führungsriege dringt. (APA/Reuters)