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Der Bosumtwi-Krater

Foto: APA/Köberl
Marsvehikel der US-amerikanischen und der europäischen Raumfahrtbehörde, sowohl auf der Planetenoberfläche als auch in einer Umlaufbahn um den Mars, haben in den vergangenen Monaten eindrucksvolle Daten vom Roten Planeten zur Erde geschickt. Deren Auswertung läuft zwar noch, doch deutet heute schon alles darauf hin, dass es Wasser auf dem Mars gegeben hat und in gefrorenem Zustand noch heute gibt: eine Voraussetzung für die Entstehung von Leben. Wie jedoch - auch wenn Wasser vorhanden ist - Leben überhaupt entstehen kann und welche Lebensformen sich zuerst entwickeln, soll auf Erden untersucht werden, und zwar in Afrika: durch Bohrungen in einem der jüngsten Meteoritenkrater der Welt, dem Bosumtwi-Krater in Ghana.

Schon die ersten Untersuchungen führten zu einer bisher noch rätselhaften Erkenntnis: Die durch die Hitze des Meteoriteneinschlags geformte Gesteinsschicht ist nur halb so mächtig wie erwartet. "Warum, werden wir erst wissen, wenn wir die Impact-Schmelzen im Labor analysiert haben", erklärt Christian Köberl vom Institut für Geologische Wissenschaften der Universität Wien, Leiter des vom Wissenschaftsfonds gesponserten internationalen Projektes (siehe Geistesblitz). "Die ersten Proben sind noch auf dem Schiff und sollen in den nächsten Tagen endlich in Deutschland ankommen. Ende 2005 erwarten wir dann die Ergebnisse."

Der Meteorit, der vor etwa einer Million Jahren im heutigen Ghana auf die Erde krachte, dürfte einen Durchmesser von ungefähr einem Kilometer und eine Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometern pro Sekunde gehabt haben. Woher er kam, ist unbekannt, was er aber anrichtete, kann man nachvollziehen: Durch die Wucht seines Einschlages wurde so viel Energie freigesetzt, dass die getroffenen irdischen Gesteine, das Target-Gestein, zerbrach, schmolz, zum Teil verdampfte - um sich dann wieder als so genannte Impact-Schmelze zusammenzufügen und den entstanden Krater teilweise (bis zu zwei Dritteln sind aus anderen Krateruntersuchungen bekannt) aufzufüllen. "Wir erwarteten aufgrund geologischer Berechnungen und Annahmen, dass die Impact-Schmelze unter den später abgelagerten Sedimenten etwa 300 bis 400 Meter dick ist", erklärt Köberl. "Gefunden haben wir lediglich eine 80 bis 100 Meter starke Schicht." Soll das heißen, dass bisherige Berechnungen von Kratereinschlägen und der dabei frei werdenden Energie falsch sind? "Das kann heute noch niemand sagen. Die Gründe dafür können sehr vielfältig sein. Vor allem hängt es von der Zusammensetzung des Target-Gesteins ab. Ich bin jedenfalls gespannt, was unsere Analysen ergeben werden. Aber das braucht noch Zeit." Die brauchte es auch, um überhaupt Bohrungen in dem schwer zugänglichen Kratersee durchführen zu können.

Der Bosumtwi-Krater liegt in einem sehr dünn besiedelten Gebiet. "Am Ufer gibt es nur ein paar kleine Ortschaften, die aber über eine ungenügende Infrastruktur verfügen", erinnert sich Köberl. "Wir mussten für das Dutzend auf Lkws beförderter Container zuerst mehr als 100 Meter Straße bauen." Die in den USA eigens für derartige Forschungsprojekte entwickelten Container wurden, nachdem ihnen das Material für den Bau des Bohrturmes und anderer technischen Einrichtungen entnommen worden war, mit einer Art Styropor gefüllt. Das verleiht ihnen dermaßen starken Auftrieb, dass die Container als schwimmende Bohrplattform zusammengebaut zu Wasser gelassen werden können. Und dann waren da noch die ortsansässigen Fischer, die quer durch den See ihre Netze gespannt hatten. Sie mussten dazu überredet werden, ihre angestammten Fischgründe für ein paar Wochen zu verlegen. Dann schließlich konnten die Arbeiten, die neue Erkenntnisse sowohl für die Geo- als auch für die Klimawissenschaften liefern sollten, beginnen.

Der westafrikanische Krater ist in vielerlei Hinsicht interessant. Erstens ist er mit einer Million Jahren einer der jüngsten Einschlagkrater auf der Erde und bestens erhalten. Zweitens weist der Krater, gemeinsam mit nur drei anderen der insgesamt 170 bekannten Einschlagkratern, eine geologische Besonderheit auf: Die obersten Gesteinsschichten wurden während des Einschlags in Glas (so genannte Tektite) verwandelt und in bis zu 1000 Kilometer Entfernung verstreut. Es ist aber ein dritter Punkt, der den Bosumtwi-Krater besonders interessant macht: Ein im Durchmesser acht Kilometer großer See füllt den elf Kilometer durchmessenden Krater. "In diesem See haben sich seit einer Million Jahren Sedimente abgelagert. Je nach Jahreszeit wurden Einträge durch den atlantischen Monsun oder von der Sahelzone abgelagert. Damit bietet diese Sedimentschicht ein vollständiges Archiv der Klimavorgänge der vergangenen Million Jahre in Westafrika", sagt Köberl.

Diese Sedimentschicht liegt direkt über jener Gesteinsschicht, die durch den Meteoriteneinschlag geformt wurde und damit den eigentlichen Krater ausmacht. Mit Bohrungen in den Untergrund des bis zu 80 Meter tiefen Sees können also gleichzeitig Informationen über Klimavorgänge in Westafrika wie auch über den Ablauf eines Meteoriteneinschlags gesammelt werden. Bisher haben die Forscher - zehn Bohrtechniker, zehn Geophysiker und elf Personen für die wissenschaftliche Auswertung vor Ort - an sechs ausgewählten Stellen insgesamt 1850 Meter Bohrkerne entnommen. Innerhalb nur weniger Wochen gelang es dem Team, zwei Bohrungen bis zur Tiefe von 540 beziehungsweise 452 Metern in das unter dem Sediment liegende und durch den Einschlag entstandene Gestein durchzuführen. Dabei wurden zusätzliche 350 Meter an Bohrkernen gezogen.

Einschläge von Meteoriten oder Asteroiden haben schon mehrmals im Laufe der Erdgeschichte das Leben auf der Erde entscheidend beeinflusst. Bekanntestes Beispiel: Vor rund 65 Millionen Jahren schlug ein Körper mit einem Durchmesser von etwa zehn Kilometern auf der Halbinsel Yucatan im heutigen Mexiko ein: Etwa 50 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten, so vermuten die Wissenschafter, starben durch die direkten und indirekten Folgen dieses Einschlages aus - darunter auch die Dinosaurier. Doch stürzen solche riesigen Trümmer nur alle zehn Millionen bis 100 Millionen Jahre einmal auf die Erde - zumindest laut Statistik. "Aus der Erdgeschichte wissen wir jedoch, dass Einschläge kleinerer Meteorite mit einem Durchmesser zwischen 50 und 500 Metern immerhin alle paar Tausend Jahre einmal passieren", erklärt Christian Köberl. "Das kann schon morgen geschehen oder aber erst in 5000 Jahren."

Durch einen dieser kleineren Einschläge entstand eben auch der Bosumtwi-Krater in Ghana. Die Bohrungen im Krater sollen unter anderem Aufschluss über die physikalischen und geologischen Vorgänge während eines solchen Einschlages und dessen Zerstörungsausmaß bringen. Und dieses kann beträchtlich sein, wie Köberl anhand eines Beispiels verdeutlicht: "Die Geschwindigkeit solcher Meteoriten liegt zwischen elf und 72 Kilometern pro Sekunde. Schon ein kleiner Körper mit 30 Metern kann einen Krater von 1,2 Kilometer Durchmesser schlagen und eine Fläche von bis zu 2000 Quadratkilometern verwüsten."

Durch den Einschlag in Ghana, vermutet Köberl, sei in einem Radius von etwa 200 Kilometern "wahrscheinlich alles Leben im Umkreis des Kraters zerstört worden. Danach, in der Hydrothermalphase, sei es zuerst einmal sehr heiß gewesen: "Auch noch nach 10.000 Jahren kann die Temperatur im Krater mehr als 100 Grad Celsius betragen haben." Dann habe allmählich Wasser den Krater aufgefüllt. Und damit sei auch das Leben zurückgekommen. "Uns interessiert nun, welche Lebensformen unter welchen Bedingungen zuerst zurückkamen. Das könnte vielleicht Rückschlüsse auf mögliches Leben auf dem Mars zulassen", erklärt Köberl. Immerhin gebe es die Theorie, dass ein Meteoriteneinschlag auf dem Roten Planeten eine ähnliche warme, feuchte "Oase für die Entstehung des Lebens" geschaffen haben könnte. Vor Millionen von Jahren. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28. 11. 2004)