Innsbruck - Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die Entscheidung, die kleine Yasemin zu ihrem Vater in die Türkei rückzuführen, verteidigt. Die Mutter der Sechsjährigen war vor zwei Jahren zusammen mit ihrer Tochter aus der Türkei geflüchtet. Der Vater versuchte, das Kind in die Türkei zurückzuholen. In einer schriftlichen Erklärung wurde am Montag erneut darauf verwiesen, dass die Justiz "in Entsprechung der völkerrechtlichen Verpflichtung Österreichs auf Grund des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung" diesen Beschluss gefasst habe.

Das Kind ist laut Oberlandesgericht am Freitag um 7.30 Uhr auf dem Weg zur Schule von einer Person des Kriseninterventionsstabes angesprochen und zum Einsteigen in ein Fahrzeug aufgefordert worden. Diese Aktion sei unter Mitwirkung jener kinderpsychologischen Sachverständigen erfolgt, die in den vergangenen Monaten das Kind mehrfach begutachtet habe und damit zur Bezugsperson geworden sei, hieß es in der Darstellung.

Keine Anwendung von körperlicher Gewalt

Das Kind sei freiwillig und ohne jegliche Anwendung von körperlicher Gewalt in das bereitgestellte Fahrzeug gestiegen und dann zum Flughafen Schwechat gebracht worden. Für diese Fahrt sei ein weiterer psychologischer Sachverständiger beigezogen worden, um eine weitestmögliche Schonung des Kindes zu gewährleisten. Mittlerweile sei das Kind in der Türkei und werde dort 14 Tage lang von der sachverständigen Bezugsperson nachbetreut, um die Eingewöhnung des Kindes zu erleichtern.

Die Gerichte hätten im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über die Rückgabe das Kindeswohl eingehend geprüft und seien zum Ergebnis gekommen, dass mit einer schwerwiegenden Gefahr für das körperliche und seelische Wohlbefinden des Kindes nicht zu rechnen ist. Nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen hätte die Republik Österreich mit einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu rechnen gehabt, falls die rechtskräftig angeordnete Rückführung des Kindes nicht vollzogen worden wäre.

Verwiesen wurde außerdem darauf, dass unabhängig vom gegenständlichen Verfahren, umgekehrt auch die Türkei nach diesem Abkommen zur Rückführung entführter Kinder verpflichtet sei. Solche Fälle seien nach Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz "teils bereits abgewickelt worden, teils noch anhängig".

Das in der Türkei geborene Mädchen lebte seit zwei Jahren in Osttirol. Die Mutter der mittlerweile Sechsjährigen war vor zwei Jahren zusammen mit ihrer Tochter aus der Türkei geflüchtet. Seit Monaten versuchte der Vater, das Kind in die Türkei zurückzuholen. In der Türkei war dem Vater das Sorgerecht zugesprochen worden.

Kritik vom Anwalt der Mutter

Der Rechtsanwalt von Yasemins Mutter, Herbert Weichelbraun, hat die Vorgangsweise der Justiz kritisiert. Er fühle sich durch den schnellen Vollzug überfahren, erklärte er am Montag.

Dass Yasemin ganz ohne das Wissen des gerichtlich bestellten Rechtsbeistandes abgeholt worden sei, sei für Weichselbraun "hinterfragenswürdig". Wenn solch besondere Umstände wie hier vorlägen, müsse man den allgemeinen Beschluss zuerst zustellen, um eine Überprüfungsmöglichkeit zu schaffen. "Konkret wurde mir dieser Beschluss bei einer Akteneinsichtnahme nicht gezeigt", kritisierte der Anwalt. Daher sei die Möglichkeit eines Rechtsmittels nicht vorhanden. Er will nun mit dem Fall eine obere Instanz bemühen, da sich die Entscheidung nur auf ein psychologisches Gutachten stütze. Die Rechtsmittelfrist sei offen. Er werde versuchen, zu zeigen, dass inhaltlich und formell nicht richtig entschieden worden sei.

Auch Amerikaner kämpft um Besuchsrecht

Doch heimische Gerichte haben in ähnlichen Fällen auch schon anders entschieden. So kämpft ein Amerikaner seit Jahren darum, seine heute zehnjährige Tochter sehen zu dürfen, ohne dass jemand den Besuch "überwacht". Das Mädchen war 1995 von ihrer Mutter nach Österreich gebracht worden. Der Vater hatte in den USA das Sorgerecht zugesprochen bekommen, dieses bei einem weiteren Rechtsstreits in Österreich aber wieder verloren. Ein Gutachten war damals zu dem Schluss gekommen, dass eine Rückführung schwere psychische Schäden hervorrufen könnte. (APA/fern/DER STANDARD; Printausgabe, 29.11.2004)