"Nicht gerecht"
Die gegenwärtige Bewertung der deutschen Verschuldung in Brüssel sei "nicht gerecht", bekräftigte Eichel. Als großer Nettozahler der EU könne Deutschland eine Änderung verlangen. Hoffnungen auch in den Reihen der SPD, die Reform des Stabilitätspaktes könnte Deutschland mehr Spielraum für neue kreditfinanzierte Investitionen geben, wies Eichel aber zurück. Bei den Gesprächen in Brüssel "geht es nicht darum, irgendwelche Ausgaben aus dem Defizit herauszurechnen, damit wir anschließend mehr Schulden machen können".
Entgegen einer Prognose der EU-Kommission hält Barroso es für möglich, dass Deutschland nach drei Verstößen in Folge 2005 die Vorgaben des Stabilitätspakts doch noch erfüllt. "Ich bin mir nicht sicher, dass Deutschland 2005 gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen wird", sagte er der "Bild am Sonntag". "Ich hoffe, dass das nicht passieren wird." Barroso zeigte Verständnis für die deutsche Haushaltslage, zumal die Bundesrepublik Deutschland der "größte Nettozahler der EU" sei.
Der Herausrechnung dieser Zahlungen aus der Defizitberechnung will Barroso aber nicht zulassen. "Wenn wir anfangen, Einzelposten herauszurechnen, wissen wir nicht, wo das enden wird. Dann haben wir bald keinen Stabilitätspakt mehr." Eichel hatte bereits jüngst gefordert, dass Nettozahler mit hohen Investitionen anders behandelt werden sollten als Nettoempfänger mit geringen Investitionen.
Im aktualisierten Stabilitätsprogramm, das Eichel am Mittwoch dem Kabinett vorlegen und dann nach Brüssel senden wird, meldet der Minister für das laufende Jahr ein Defizit von 3,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), 2005 soll es bei 2,9 Prozent liegen. Die Bundesregierung werde "prüfen, welche weiteren Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden können", falls dies notwendig werde, zitiert das Magazin "Focus" aus der Vorlage. "Zu starke Einschnitte bei einzelnen Ausgaben oder Steuererhöhungen würden die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigen."
"Nationaler Stabilitätspakt" gefordert
Eichel bekräftigte seine Forderung, die Ost-Länder über einen nationalen Stabilitätspakt in die Pflicht zu nehmen. "Wir müssen überlegen, wie wir die ostdeutschen Länder dazu verpflichten können, die Solidarpaktmittel tatsächlich für den Aufbau Ost einzusetzen. Das sind wir den Menschen in Ostdeutschland schuldig." Laut einem internen Regierungsbericht, aus dem die "Bild am Sonntag" zitierte, setzt einzig Sachsen die Mittel zu 100 Prozent wie vorgesehen für die Infrastruktur ein. Dagegen verwende Berlin das ganze Geld sachfremd für laufende Investitionen.