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Die Branche sieht große Zukunftspotenziale, die industrielle Forschung unterstützt sie, indem sie die "Intelligenz" des Werkstoffs deutlicher denn je herausstreicht.

Holz ist mehr als Rohstoff, und Holzwerkstoffe sind längst mehr als schnöde Spanplatten. "Im Holz steckt enormes Zukunftspotenzial", weiß Alfred Teischinger, der als Leiter des Instituts für Holzforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien seine Studierenden die Technologie des Holzes lehrt. Holz, "der hochintelligente, vielfältige Werkstoff", hat, so der Professor, eine große Zukunft vor sich. Gezieltes Engineering vorausgesetzt, wird Holz zum maßgeschneiderten Werkstoff und damit zur Konkurrenz für Kunststoffe und Metalle.

Holz gegen Beton

Die europäische Holzindustrie, im Vergleich zu den Konkurrenten aus der Metall- oder Kunststoffbranche kleinstrukturiert, hat sich erstmals auf einen gemeinsamen Kurs geeinigt. Die Roadmap 2010 gibt die strategischen Ziele vor, die da heißen: Bauen, Leben, Transport und Verpackung. Im Baubereich will die Holzwerkstoffindustrie Beton und Stahl ablösen. In einigen europäischen Ländern wie in Deutschland verhindert aber Bau- und Brandschutzverordnungen den großflächigen Einsatz von Holz und Holzwerkstoffen. Holztechniker Michael Stache, der ein selbsttragendes Flächenelement aus Holzwerkstoffen entwickelte: "Hier haben Beton und Stahl noch die stärkere Lobby." Ein sinnvoller Einsatz des nachwachsenden Rohstoffes Holz sollte in mehreren Stufen erfolgen, sinniert Teischinger. Seine Grundphilosophie: "Man muss möglichst viel Holz zuerst stofflich nutzen." Zuerst als Massivholz, dann als Holzwerkstoff, und erst im letzten Kreislauf sollte Holz thermisch genutzt werden. Der Nutzung von Vollholz sind Grenzen gesetzt. Teischinger: "Vollholz ist für viele Sachen toll, aber es ist halt einfach ein Baum, man kann es nur stabförmig verarbeiten. Man kann also ein Brett oder Balken herausschneiden."

Wesentlich vielfältiger sind die Verwendungsmöglichkeiten der Holzwerkstoffe. Verarbeitet zu Faserplatten, lässt sich Holz sogar in der Automobilindustrie einsetzen. Alfred Teischinger: "In jedem Auto sind schon 16 Kilogramm Hartfaserplatten." Ein Vorteil des Autoholzes: Er ist leichter als Kunststoff.

Die Herausforderung für Forschende ist nun, bei neuen Produktentwicklungen die künftige Entsorgung mitzudenken. Bei den ersten Generationen von Holzwerkstoffen kam der Umweltgedanke zu kurz. Schadstoffemissionen von Leimen, Zusatzstoffen, Lacken oder Holzschutzmitteln waren die Folge. Verbrennung und Recycling wurden zu einem Problem.

Mit dem Kompetenzzentrum für Holzverbundwerkstoffe und Holzchemie will man nachhaltige industrielle Lösungen finden. 70 Mitarbeiter beschäftigen sich im Forschungszentrum Wood K-plus mit Holzwerkstoffen mit definierten Eigenschaften, die für verschiedene Anwendungen maßgeschneidert werden könnten. Optimiert werden sollen Extrudierbarkeit, Feuer- und Witterungsbeständigkeit, das Quell- und Schwindverhalten, Bindevermögen, Maßhaltigkeit, Dimensionsstabilität, Energieverbrauch und Aufschließbarkeit.

Mit der Wiederverwertbarkeit von Alt- und Gebrauchtholz in Holzwerkstoffen beschäftigt sich eines der sieben Impulsprojekte des "Kompetenzzentrums Holztechnologie", das an der Holzforschung Austria angesiedelt ist. In der Werkstoffindustrie werden auch Alt- und Gebrauchthölzer eingesetzt, die Qualität dieses Materials hängt jedoch stark von seiner Vorbelastung ab. Mit dem Forschungsprojekt werden nun zwölf verschiedene Altholzfraktionen wie Paletten, Türen, Fenster, aber auch stark kontaminierte Eisenbahnschwellen auf ihre Schadstoffemissionen entlang der gesamten Produktionskette untersucht. Projektleiter Michael Gann über das Ziel: "Es gilt die Frage zu beantworten, ob man Altstoffe in Holzwerkstoffen nutzen kann oder ob sich toxikologische Probleme für den Endverbraucher ergeben können." Bei der Entwicklung neuer Holzwerkstoffe wird auf den Ersatz der gängigen Bindemittel und Additive durch umweltverträgliche Stoffe geachtet. Damit soll die Formaldehyd-Emission verhindert, aber auch die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit bei der Herstellung erhöht werden.

"Holzkunststoff" als Baumaterial

Ein weiteres Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Kombination von Holz und Kunststoffen. Die Wood-Plastic-Composites werden in den USA bereits als Fassaden-oder Terrassenplatten eingesetzt, als Baumaterialien haben sie sich in Mitteleuropa noch nicht durchgesetzt. Mit dem Projekt sollen nun Anforderungsprofile für die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Composites definiert und Qualitätsbewertungssysteme entwickelt werden.

Mit einem emissionsfreien Verfahren zur Oberflächenbearbeitung, das kürzlich den Umweltpreis des Bundesverbands der Deutschen Industrie bekam, lässt das Institut für Holztechnologie in Dresden aufhorchen. Durch ein staubfreies thermomechanisches Verfahren werden Oberflächen von Holzwerkstoffen geglättet. Kombiniert mit Pulverbeschichtung, wie bei Metallen oder Kunststoffen, wird auch die Lackierung günstiger und umweltfreundlicher. (Jutta Berger, Der Standard, Printausgabe, 29.11.2004)