Paris/Rom/Den Haag/Moskau - Mit der Krise in der Ukraine beschäftigten sich am Montag internationale Tageszeitungen:

"Il Messaggero" (Rom):

"Der Wind der Sezession, der nun vom Osten der Ukraine her weht, macht das politische Kräftemessen, das sich im Land vollziehen, noch gefährlicher als bisher. Jetzt steht in der Tat auch die territoriale Einheit des Landes auf dem Spiel, falls die Opposition auf ihrer Forderung des "Wahlsieges" besteht. (...) Im Oppositionslager wird erneut der Vorwurf erhoben, dass in den östlichen Provinzen bereits Soldaten einer russischen Spezialeinheit stehen, die ukrainische Uniformen tragen und bereit zum Eingreifen sind."

"de Volkskrant" (Den Haag):

"Der Machtkampf in der Ukraine scheint sich für Oppositionsführer Juschtschenko und seine Anhänger günstig zu entwickeln. (...) Aus Moskau kam der wohl wichtigste Hinweise dafür, dass die Machthaber in der Ukraine unter Druck stehen. Ein Regierungssprecher hat immerhin die Möglichkeit einer dritten Runde der Präsidentschaftswahl, wie sie von Juschtschenko verlangt wird, nachdrücklich offen gelassen. Diese flexible Haltung steht im Gegensatz zur bisherigen Politik der russischen Regierung: völlige Unterstützung für "Wahlsieger" Janukowitsch und Warnungen an die EU, sich nicht in interne Angelegenheiten der Ukraine einzumischen. (...) Die russische Führung scheint zu begreifen, dass der große Volksprotest nicht negiert werden kann und dass es wohl besser sei, wenigstens etwas Einfluss auf Kiew zu behalten. Wenn es dabei bleibt, kann man dies auch als Erfolg für die europäische Diplomatie sehen, die bisher in der ukrainischen Krise stark aufgetreten ist."

"Kommersant" (Moskau):

"Die angebliche Einrichtung einer Autonomie des Südostens oder gar ein Anschluss an Russland sind nur ein Mittel, um das Zentrum oder den Westen zu erpressen. Russland kann nicht einen Teil der Ukraine gebrauchen, wenn der andere Teil an den Westen fällt. Russland will die Ukraine ganz. Deshalb wird Moskau eine Spaltung nicht unterstützen. Falls (Oppositionsführer) Viktor Juschtschenko siegt, wird Moskau eher zusehen, dass es sich irgendwann rächt und wieder "gesunde, konstruktive Kräfte" an die Macht bringt, wie sie jetzt aus den Schächten des Donbass ans Tageslicht kommen."

Magazin "L'Express" (Paris):

"Zu viele Überreste des alten Sowjetreiches - die baltischen Staaten, Polen, Georgien - sind dem russischen Präsidenten Putin schon entglitten, als dass er jetzt noch weiter nachgeben könnte. In der Ukraine geht es auch um Russlands Ansehen. Man vergisst zudem zu leicht, dass die Ukraine sieben Jahrhunderte lang unter Moskaus Herrschaft gelebt hat. Kiew war 882 die Hauptstadt des ersten russischen Staates und bleibt seit dem 10. Jahrhundert die Wiege der orthodoxen Kirche. Wie in Tschetschenien wird das Eingreifen des Westens in der Ukraine von Moskau als Einmischung in seiner inneren Angelegenheiten und Angriff auf die Bemühungen zur Wiedererrichtung des Reiches wahrgenommen. Eines Reiches, das zwar neu definiert wird, aber immer noch einen Vorhof von Satellitenstaaten und eine Militärmacht haben soll. Es ist kein Zufall, wenn der Mann der Ordnung Putin jetzt seinen Willen erklärt, die Atomstreitmacht kurzfristig zu verstärken. Die Botschaft richtet sich genauso an sein Volk wie an die übrige Welt. Die Sowjetunion ist untergegangen; Russland bleibt." (APA/dpa)