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Sir Bob Geldof bei der Präsentation der "Live Aid DVD" und der Neuauflage von "Band Aid" mit der Single "Do They Know It's Christmas?".

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Deshalb ist jetzt auch wieder Sir Bob Geldof in Sachen Sudan aktiv


Wien – Ereignisse wie dieses wären heutzutage schon aus einem Grund kaum wiederholbar: die Concorde fliegt nicht mehr. Zwischen London und New York herrschte damals vor zwei Jahrzehnten ein unter anderem auch musikalisch hoch dotierter Pendelverkehr. Der ermöglichte es nicht nur, dass ein schwer übernächtigter Boy George (Do You Really Want To Hurt Me?) trotz einem mit einer Flasche Whiskey nur mühsam beizukommenden Hangover gerade noch rechtzeitig in einem Londoner Studio eintraf.

Dort sang er dann gemeinsam mit der damaligen kommerziellen Speerspitze der britischen Popszene seine Textzeilen für den am 24. November 1984 produzierten und zwei Wochen später in den Handel ausgelieferten Song Do They Know It's Christmas? ein. Der gilt bis heute als eine der erfolgreichsten Singles aller Zeiten. Und noch dazu für einen guten Zweck!

Am 13. Juli 1985 begab es sich im Rahmen von Live Aid auch, dass der damals noch entschieden mit mehr Haupthaar gesegnete Phil Collins in Gegenrichtung fliegend an einem Tag gleich zweimal auftrat. Und das auf zwei verschiedenen Kontinenten. Am Nachmittag wurde so das heute längst demontierte Londoner Wembley Stadion Zeuge seines damaligen Hits Against All Odds, sowie eines gemeinsamen Duetts mit Sting für Every Breath You Take. Stunden später bolzte sich der ehemalige Schlagzeuger von Genesis im US-amerikanischen Philadelphia obendrein durch eine Version seiner Solonummer In The Air Topnight.

1984 war das Musikfernsehen mit MTV noch relativ jung, das Publikum deswegen noch ungemein begierig auf so eine Veranstaltung. Deshalb war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die über zehnstündige Liveübertragung des in der Geschichte wohl größten und einzigartigen Wohltätigkeitsevents, Live Aid, unter der Regie des irischen Musikers Bob Geldof, damals vor einer geschätzten Milliarde Menschen vor den Fernsehschirmen stattfand.

Zugunsten der von Geldof ein halbes Jahr zuvor mit der britischen Musikerinitiative Band Aid im Kampf gegen eine Hungersnot in Äthiopien ins Leben gerufenen und gemeinsam mit Midge Ure von Ultravox komponierten Wohltat des heutigen Weihnachtsklassikers Do They Know It's Christmas? trat damals alles auf, was auch heute noch gutes Geld, allerdings mehr in die eigene Tasche bringt.

Für immer Woodstock

Von Elton John über U2, David Bowie und George Michael, Madonna oder Eric Clapton, Mark Knopfler und Paul McCartney bis zu Mick Jagger, Ozzy Osbourne und Queen war alles vertreten, was wohl auch wegen der diesbezüglichen global via TV präsenten Mildtätigkeit noch heute im Markt des "Erwach^senenpop" im Rennen ist.

Selbst Joan Baez verkündete damals blauäugig wider besseren Wissen, dass es sich bei dieser Veranstaltung um das Woodstock der neuen Zeitrechnung handeln würde – was zwar mit einem besoffenen Auftritt von Bob Dylan und Keith Richards und der Tatsache, dass Woodstock 1969 eine miese Geldabzocke war, etwas konterkariert wurde. Immerhin aber erwiesen sich vorher die Auftritte der Woodstock-Veteranen Neil Young (solo) und Crosby, Stills & Nash (zu dritt) als halbwegs in Ehren ergraut.

140 Millionen Euro Spenden für die Hungernden in Äthiopien mag zwar eine beachtliche Summe gewesen sein. Am Dilemma der heutigen Politik gegenüber und an den Folgeschäden des westlichen Kolonialismus in Afrika änderte dies nur wenig.

Nicht nur Bob Geldof, der danach vor allem auch privat ins Unglück stürzende Patron von Band und Live Aid, sah sich nur eineinhalb Jahrzehnte später dazu berufen, gemeinsam mit alten Mitstreitern wie Bono Vox von U2 bezüglich Afrika mit Drop The Depth oder Jubilee 2000 wieder politisch aktiv zu werden und die internationale Polit- Lobby DATA mitaufzubauen: "Depth, Aids, Trade, Africa". Die derzeitige Hungersnot im Sudan brachte auch eine notwendige Reaktivierung des Songs Do They Know It's Christmas? mit sich.

Von den damaligen Protagonisten der britischen Szene ist ab sofort im Handel auf Single erhältlich zwar nur mehr Bono Vox mit dabei. Der darf auch jetzt wieder die schon damals problematischen Textzeilen "Well, thank God, it's them instead of you!" krächzen. Was man auch angesichts des britischen Engagements im vom Leidenspotenzial der Zivilbevölkerung offenbar als weniger problematisch erachteten Irak als durchaus zynisch bemessen könnte.

Offensichtlich aber dürfen mit der von Stars wie Robbie Williams, Dido, Chris Martin (Coldplay), Fran Healy (Travis) oder Joss Stone und Paul McCartney eingespielten Single etwaige harte politische Statements auch und gerade gegenüber der britischen Regierung nicht die angestrebte vorweihnachtliche Spendenfreude trüben. Bis zum Christfest will man immerhin mit Band Aid 20 knapp 30 Millionen Euro für den Sudan einspielen. Dazu kommt noch die parallel dazu unternommene erstmalige Veröffentlichung von zehn Stunden Live Aid von 1985 auf DVD. Auch die Leidenden und Hungernden sind offenbar Moden unterworfen. Daran könnte man mitunter oft verzweifeln. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2004)