Wann immer das Wort Autonomie in einem Konflikt auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion auftaucht, ist höchste Vorsicht angebracht. Vertreter der östlichen Regionen der Ukraine haben am Wochenende in einer Versammlung mit Ministerpräsident Viktor Janukowitsch mit Abstimmungen über eine Autonomie dieser Gebiete gedroht, sollte Oppositionsführer Viktor Juschtschenko Präsident werden. Der Moskauer Bürgermeister, Juri Luschkow, der eigens zu dem Treffen eingeflogen war, unterstützte die Forderung und versprach Hilfe durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Zur Erinnerung: In Georgien halten sich in zwei Gebieten - Südossetien und Abchasien - Separatistenregime mit Unterstützung Moskaus. In Moldawien ist die abgespaltene Region Transnistrien in der Hand eines kriminellen Familienclans, der sich mit Drogen-, Waffen- und Menschenhandel finanziert und praktisch unter dem Schutz russischer "Friedenstruppen" steht. Selbst in den drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen, die mittlerweile zur EU gehören, versucht Moskau angebliche oder tatsächliche Probleme mit den russischen Minderheiten immer wieder politisch zu instrumentalisieren, teilweise sogar dadurch, dass die jeweiligen Regierungen bei der EU-Kommission angeschwärzt werden.

Dass es in Moskau ein Abspaltungsszenario für die Ukraine gibt, ist mit Sicherheit anzunehmen. Und offenkundig gibt es schlaue Strategen, die es nun Schritt für Schritt umsetzen wollen. Hoffentlich gibt es auch Vernünftige, die stark genug sind, diesen Schlaumeiern die Konsequenzen zu verdeutlichen. Die Ukraine ist in praktisch jeder Beziehung ein Schlüsselland für die Stabilität des gesamten Kontinents. Wenn sogar der am Montag zurückgetretene Wahlkampfleiter des russischen Schützlings Janukowitsch die Autonomiedrohungen einen "Wahnsinn" nennt, erübrigt sich jeder weitere Kommentar. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2004)