Das berühmte Milgram-Experiment führte der Welt die Folterbereitschaft von Durchschnittsbürgern vor Augen

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New York - Alle Menschen sind fähig Folter auszuüben und andere "Akte großer Bösartigkeit" zu begehen. Zu diesem traurigen Schluss kommt eine Analyse von über 25.000 psychologischen Studien, an denen acht Millionen Menschen teilnahmen. Diese Untersuchung wurde unter der Leitung von Susan Fiske an der Princeton Universität in New York durchgeführt, berichtet das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" .

Soziale Faktoren entscheidend

Die Wissenschaftler berücksichtigten die Umstände, die zu den unerklärlichen Missbrauchsfällen im Abu-Ghraib-Gefängnis in Bagdad führten. Fiske glaubt, jeder durchschnittliche 18-Jährige könnte die irakischen Gefangenen gefoltert haben. Viele Formen des Verhaltens, einschließlich Akte der Grausamkeit, sind von Autoritätsfiguren, Gruppenzwang und anderen sozialen Interaktionen ebenso beeinflusst wie von der Psychologie des einzelnen. "Wenn wir die Wichtigkeit des sozialen Kontexts nicht verstehen und akzeptieren, dass jeder derartige Folterungshandlungen unter bestimmten Umständen ausführen könnte, schaffen wir einen Boden für weitere derartige Gräueltaten", warnt Fiske.

Die Forscher identifizierten Situationen, in denen sich die Individuen provoziert, gestresst oder verspottet fühlten und sich dadurch zu aggressiven Akten angespornt fühlten. Dem Gruppenzwang gerecht zu werden und Autoritäten zu gehorchen könnte Menschen dazu bringen, sich in einer Weise zu verhalten, die sie sonst inakzeptabel fänden. Fiske betont, dass stark kohäsive soziale Populationen wie das Militär entweder Vorurteile bekräftigen können - wie in dem Fall der irakischen Gefangenen - oder aktiv davor abschrecken. Würden Iraker an der Seite des US-Militärs kämpfen, würde es den Soldaten schwerer fallen, die irakischen Gefangenen so entmenschlicht zu sehen.

Hoffnungsträger und Angstmacher

Aber es gibt auch immer einige wenige Individuen, die anderer Meinung sind als die Gruppe, nämlich Informanten, die Autoritäten auf den Missbrauch aufmerksam machen und so ein Fortfahren vermeiden. "Menschen, die aussteigen, haben oft einen ausgeprägten Sinn für moralische Werte oder eine religiöse Überzeugung, welche ihnen erlauben, die natürliche Neigung, den Vorgesetzten zu folgen oder sich dem Gruppenzwang unterzuordnen, zu überwinden", erklärte Ian Robbins, ein klinischer Psychologe am St. George´s Hospital in London.

Jeder Prozess, der mit Einsperren und Befragungen zu tun hat, sollte genauen Untersuchungen durch die Öffentlichkeit standhalten und nicht geheim vom Militär durchgeführt werden. "Ich finde es extrem erschreckend, dass das US-Militär im Pentagon diskutiert hat, welche Arten der Folter akzeptabel sind und welche nicht", kritisierte der Forscher. (pte)