Foto: Mandatory Credit Undpi/Ky Chung
London/Wien - Die Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla Del Ponte, hat der NATO die Schuld an der glücklosen Suche nach den flüchtigen bosnischen Serbenführern Radovan Karadzic und Ratko Mladic gegeben. Der Verteidigungsallianz habe bisher der "politische Wille" gefehlt, die beiden vom UNO-Tribunal wegen Kriegsverbrechen Angeklagten zu fassen, sagte Del Ponte in einem BBC-Radiointerview am Mittwoch. Ein NATO-Sprecher wies die Anschuldigungen zurück.

"Sie wissen, die NATO ist ein eigenartiges Instrument, weil die NATO hat uns bei der Suche nach Beweisen sehr unterstützt, aber die NATO hat immer, immer gesagt, dass sie kein Mandat haben, Flüchtige zu lokalisieren", sagte Del Ponte in dem auszugsweise auf der BBC-Internetseite veröffentlichten Interview.

NATO-Sprecher äußerte Bedauern über die erfolglose Suche nach Karadzic

NATO-Sprecher James Appathuray räumte das Bedauern seiner Organisation über die seit sieben Jahren erfolglos verlaufende Suche nach dem früheren bosnisch-serbischen Präsidenten und seinem einstigen militärischen Oberbefehlshaber ein. Er betonte aber, dass "große Anstrengungen" unternommen werden. "Es ist eine komplexe Situation, es ist ein komplexes Land und sie sind mittlerweile äußerst geschickt beim Verstecken, aber das heißt nicht, dass keine Versuche unternommen wurden (sie zu finden, Anm.)".

Nach Angaben der serbisch-montenegrinische Nachrichtenagentur Tanjug machte Del Ponte in dem BBC-Interview die NATO auch dafür verantwortlich, dass ihr Tribunal bisher keine Anklage wegen der von der Allianz geflogenen Luftangriffe gegen Jugoslawien im Jahr 1999 erhoben habe. Sie sei willens, in dieser Frage Anklage zu erheben, aber nicht in der Lage dazu, weil die NATO bisher nicht die nötigen Dokumente übermittelt habe. Die bisher von ihr gesammelten Informationen und Beweise seien dagegen "nicht ausreichend" für eine Anklage.

Kritik Del Pontes "keine Hilfe"

Der NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat Kritik von Del Ponte (SFOR) zurück gewiesen. Es sei "nicht hilfreich, mit dem Finger auf SFOR oder die NATO zu zeigen", sagte der Niederländer bei einer Pressekonferenz in Sarajewo am Donnerstag.

De Hoop Scheffer erklärte, Kritik am Vorgehen der internationalen Truppen in Bosnien-Herzegowina schade "unseren eigenen Kräften, die angeklagten Kriegsverbrecher zu verhaften". Indirekt an die Anklagebehörde des Tribunals gerichtet, sagte er: "Belassen wir die Verantwortlichkeiten so, wie sie sind". De Hoop Scheffer war anlässlich des Kommandowechsels von den SFOR-Einheiten zur EU-Operation "Althea" im künftigen EUFOR-Hauptquartier in Butmir am Stadtrand von Sarajewo präsent. Auch EU-Außenpolitikchef, Javier Solana, versicherte, dass die EU-Truppen alles tun werden, um vom Haager Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Gesuchte auszuliefern.

Britischer Verteidigungsminister weist Vorwürfe zurück

Auch der britische Verteidigungsminister Geoffrey Hoon wies die Vorwürfe der Chefanklägerin zurück. Er stimme mit dieser Behauptung von Del Ponte nicht überein, sagte Hoon laut Medienberichten in Sarajewo. Großbritannien und andere Staaten würden auch in Zukunft Bemühungen unternehmen, um die Angeklagten der Gerechtigkeit zuzuführen, präzisierte der Verteidigungsminister.

Die bosnisch-serbische Polizei fahndete am Donnerstag erfolglos in der Ortschaft Mokro bei Pale unweit von Sarajewo nach einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher. Gemäß der bosnisch-serbischen Presseagentur Srna habe die Polizei das Haus eines Verwandten des Haager Angeklagten, Ljubomir Borovcanin, durchsucht. Borovcanin ist zusammen mit mehreren anderen bosnisch-serbischen Offizieren des Völkermordes in der Bosniaken-Enklave Srebrenica angeklagt. In der ostbosnischen Kleinstadt wurden nach der Eroberung durch die Truppen der Republika Srpska im Juli 1995 etwa 7.800 Personen ermordet. (APA)