"Die Ergebnisse sind sicher beunruhigend – sie waren aber erwartbar", sagt der Klagenfurter Erziehungswissenschafter Peter Posch zu den bisher durchgesickerten Ergebnissen der Pisa-Studie. Sie zeigten nämlich, dass es dem Bildungssystem, "in das doch viel investiert wird", an Effizienz fehle. Das allerdings habe man schon früher wissen können – und auch erkannt: Programme zur Förderung des mathematischen Verständnisses sind schon nach Vorläuferstudien zur Pisa-Studie 2000 auf den Weg gebracht worden. Wirklich zu greifen beginnen sie aber erst ab heuer.

Karikatur: KUF
Karikatur: KUF

Schnelles Vergessen

Poschs Verbesserungsansatz liegt nicht im Finanziellen, sondern im Organisatorischen: "Die Gesellschaft legt nicht auf gutes Wissen wert, sondern darauf, dass die Kinder in der Schule durchkommen." Das spiegelt sich in der Prüfungskultur wider: Laut Leistungsbeurteilungsverordnung ist es den Lehrern ausdrücklich verboten, älteres, schon länger vorgetragenes Wissen zu prüfen. Das aber führt dazu, dass Kinder für eine Schularbeit oder Prüfung lernen, das Erlernte aber dann beruhigt vergessen können. Bei Tests wie jenen, die bei der Pisa-Studie eingesetzt werden, kommt aber ans Licht, dass die jungen Leute zu wenig aufbauend lernen und zu wenig vernetzt denken. Schon eine Änderung der Leistungsbeurteilungsverordnung würde viel bewegen.

Leistung messbar?

Überhaupt: Wie misst man eigentlich den Erfolg der Schule? "Eine gute Frage", meint Sektionschef Anton Dobart vom Bildungsministerium, der sich mit dieser Frage beruflich herumschlägt. Im internationalen Vergleich – speziell bei der die mathematischen Fähigkeiten messenden TIMSS-Studie des Jahres 1995 – habe sich immer die unterschiedliche Prüfungskultur der einzelnen Ländern gezeigt. Während im frankofonen und angloamerikanischen Schulwesen vor allem auf schriftliche Tests (wie bei TIMSS und Pisa) hingearbeitet werde, zählt im schulischen Alltag hier zu Lande die mündliche Prüfung.

Methodisches Problem

Die gibt zwar einerseits die Möglichkeit, besser auf die Lernenden einzugehen – andererseits "drücken sich in der mündlichen Prüfung auch Rituale aus. Da gibt es eine Sühnestrategie, eine Bestrafung: Mit zwei ,nicht genügend' darfst du nicht aufsteigen", sagt Dobart. Schriftliche Tests führten zu anderen Lernkulturen, aber nicht unbedingt zu besseren – da wird nämlich Testwissen trainiert, mit der Lebenswirklichkeit hat das dann auch wenig zu tun. Dass Österreichs Schüler bei der ersten Pisa-Welle besonders gut abgeschnitten haben, sei möglicherweise auf ein methodisches Problem zurückzuführen gewesen, argwöhnt Bildungsforscher Posch – schon eine geringfügig höhere Beteiligung schlechterer Schüler hat im Ranking (noch dazu einer vermehrten Zahl von Ländern) deutliche Auswirkungen.

Für Sektionschef Dobart ist es aber kaum ein Trost, dass die Rankings nicht unbedingt die wahre Leistung der Schüler (diese Daten sind noch gar nicht veröffentlicht) wiedergeben: "Wenn man in einer Reihe weiter hinten landet, dann hilft es nicht zu sagen, dass alles sehr viel komplizierter ist." Auch Dobart räumt ein, dass man "kurzfristig nicht viel ändern kann, nicht einmal mit viel Geld" – wohl aber kann man den Lehrern langfristig helfen, professionellere Rückmeldungen über das tatsächliche Können ihrer Schüler zu bekommen. Von den flächendeckenden Tests, die Bildungsministerin Gehrer in der Pressestunde am Sonntag angekündigt hat, sei man allerdings weit entfernt.

Mathematik-Tests

Im Mai werden erstmals 140 Schulen in Mathematik durchleuchtet – allerdings werde es noch bis 2008 dauern, bis Tests für auch nur 30 Prozent der Schüler eines Jahrgangs fertig wären. Bildungsforscher Posch sieht ein kulturelles Problem, nämlich: "Wie wird das Wissen in Mathematik und Naturwissenschaften in der Gesellschaft geschätzt – bei uns jedenfalls nicht so wie in der angelsächsischen Welt, schon gar nicht wie in Asien." Und die nächste Pisa-Studie kommt bestimmt – 2006. Schwerpunkt: Naturwissenschaften. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.12.2004)