Graz - Der 58-jährige Schweizer Jurist Ulrich Sigg gilt heute als einer der profundesten Chinaexperten, in wirtschaftlicher, politischer und nicht zuletzt auch in künstlerischer Hinsicht: Er besitzt die weltgrößte Sammlung zeitgenössischer chinesischer Kunst. Am Dienstag sprach Sigg beim Jour Fixe im Grazer Kunsthaus mit Intendant Peter Pakesch und STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl über sein "Abenteuer China".

Der jetzige Vizepräsident des Schweizer Medienkonzerns Ringier lernte das "Land der Mitte" aus vielen Perspektiven kennen. 1980 war Sigg am ersten Joint Venture zwischen der Volksrepublik und einem westlichen Unternehmen (Schindler Aufzüge) beteiligt, von 1995 bis 1998 war er Schweizer Botschafter in China. Zuletzt coachte Sigg das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, das in Peking den Wettbewerb für das Stadion gewann, in dem 2008 die Hauptveranstaltungen der Sommerolympiade durchgeführt werden sollen.

"Ich habe China als Businessman erlebt, dann ganz anders als Diplomat. Mein dritter Zugang war die Kunst", erzählt der Sammler, der 1200 Arbeiten von 180 Künstlern besitzt. Sigg erlebte Ende der Siebzigerjahre die Geburtsstunde zeitgenössischer Kunst in China: "Bis dahin war nur sozialistischer Realismus als Form und Inhalt erlaubt." Eine zeitverzögerte Entwicklung setzte ein. "Zuerst malten alle wie Impressionisten, dann entdeckten sie das Abstrakte." Erst Mitte der Achtzigerjahre fand man die eigene Sprache. Mit seiner Sammlerleidenschaft für moderne Kunst ist Sigg in China allein: "Wer in China Geld hat, kauft Kalligrafien oder alte Bilderrollen."

Im Grazer Kunsthaus soll 2008 aktuelle chinesische Kunst gezeigt werden. (cms / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.12.2004)