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"Wir sind immer bemüht, auch die Welt von heute zu verstehen, aber man kann eben die Botschaft Jesu nicht immer einer überhasteten Tagesmode anpassen", sagt Bischof Maximilan Aichern.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Die Kirche müsse sich den neuen Anforderungen der Gesellschaft stellen. Grundstock dafür sollte ein Drittes Vatikanisches Konzil sein, meint Oberösterreichs Diözesanbischof Maximilian Aichern im Gespräch mit Markus Rohrhofer.

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Standard: Der Ruf nach Veränderungen wird kirchenintern immer lauter. Sind Reformen in der katholischen Kirche nicht schon längst überfällig?
Aichern: Das letzte ökumenische Konzil vor 40 Jahren hat schon sehr viel an Reformen gebracht. Eine Reihe von Fragen ist damals aber offen geblieben. Und ebenso viele neue Fragen sind dazugekommen. Um all das klären zu können, wird wohl ein Drittes Vatikanisches Konzil nötig sein.

STANDARD: Wie realistisch ist ein neuerliches Konzil, und wie schnell wäre eine Einberufung möglich?
Aichern: Das kann ich nicht voraussagen, das obliegt den Entscheidungsträgern der Weltkirche. Aber es wäre auf jeden Fall ein guter Weg für eine große Reform innerhalb der Kirche.

STANDARD: Sollen alle Wege nach Rom führen - oder doch nicht?
Aichern: Mehr Dezentralisierung wäre sicher wünschenswert, das ist keine Frage. Doch dieser Weg muss gemeinsam mit der Weltkirche gegangen werden, und dazu sind noch viele Gespräche notwendig.

STANDARD: Zwingt der akute Priestermangel nicht zu einem Umdenkprozess?
Aichern: Da muss sicher etwas passieren. Vieles wird zwar heute durch Laien erfolgreich abgedeckt, aber wir brauchen die Priester ebenso. Das ist ein ganz heikler Bereich und eben genau eine jener Fragen, der wir uns endlich auf weltkirchlicher Ebene stellen müssen.

STANDARD: Glauben sie, dass die Gesellschaft der Kirche davonläuft?
Aichern: Nein. Die Kirche ist ein Teil der Gesellschaft und nicht eine fremde Parallelwelt. Wir sind immer bemüht, auch die Welt von heute zu verstehen, aber man kann eben die Botschaft Jesu nicht immer einer überhasteten Tagesmode anpassen.

STANDARD: Die Forderung nach einer Öffnung der Geschäfte am Sonntag sorgt regelmäßig für Wirbel. Fürchten Sie, dass die Tage des "heiligen Sonntags" gezählt sind?
Aichern: Es besteht diesbezüglich ganz sicher ein akute Gefahr, aber die Kirche wird sich immer dagegen stark machen. Man darf den Tag des Herren nicht zwischen den Einkaufsregalen feiern.

STANDARD: Sehen Sie in Österreich generell einen Trend zum Neoliberalismus?
Aichern: Die Versuchung ist sicher immer wieder da, auch wenn von vielen Seiten dagegen angekämpft wird.

STANDARD: Wie politisch sollte Ihrer Meinung nach Kirche sein?
Aichern: Kirche muss politisch, nicht parteipolitisch sein. Es ist unsere Berufung, an das Gewissen der Menschen zu appellieren.

STANDARD: Stichwort Asylpolitik: Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation?
Aichern: Sehr schwierig. Es ist jetzt unbedingt ein Aufeinanderzugehen von beiden Seiten, sowohl von der Politik als auch von den Betreuungsorganisationen, notwendig. Es muss in diesem Bereich mehr Kommunikation geben, und es dürfen keine Ängste in der Bevölkerung geschürt werden. Genügend positive Beispiel haben bereits gezeigt, dass mit einer gemeinsamen Willenskraft ein friedliches Nebeneinander möglich ist.

STANDARD: Wie groß ist der Imageschaden für die Kirche durch die "Causa St. Pölten"? Aichern: Menschliche Verfehlungen kann es immer wieder geben. Aber auch Vergebung und die Chance auf einen Neubeginn müssen Platz haben. Die Lage hat sich in der Diözese unter Bischof Küng wieder deutlich entspannt. (DER STANDARD Printausgabe 2.12.2004)