Wien - Die Koalitionsparteien haben die Hauptverbands-Reform am Freitag durch den Sozialausschuss des Nationalrats gebracht. Damit steht einem Nationalrats-Beschluss am kommenden Freitag nichts mehr entgegen. SPÖ und Grüne votierten im Ausschuss gegen die mittlerweile zweite Reform des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger seit dem Antritt von Schwarz-Blau im Jahr 2000. Der erste Versuch, mit dem Hauptverbands-Präsident Hans Sallmutter (S) ausgehebelt worden war, wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Die künftigen Spitzengremien des neuen Hauptverbandes sind die 37-köpfige Trägerkonferenz, die für Budget und Honorar-Abschlüsse Verantwortung trägt, und der zwölfköpfige Verbandsvorstand (dazu kommen zwei nicht stimmberechtigte Mitglieder), der für die Vertretung nach außen und das operative Geschäft zuständig ist. In beiden Gremien wird die ÖVP eine absolute Mehrheit haben. Die bisherige Geschäftsführung (künftig: Verbands-Management) wird in ihrer Bedeutung reduziert und an die Weisungen des Vorstands gebunden.

Debatte über Verfassungskonformität

SP-Gesundheitssprecher Manfred Lackner glaubt, dass auch diese Vorlage in ein, zwei Jahren wieder vom Verfassungsgerichtshof gekippt wird. Durch die Neuregelung werde der Hauptverband zu einer Filiale der Wirtschaftskammer, so Lackner laut Parlamentskorrespondenz. Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) wies dagegen darauf hin, dass der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes die Neuorganisation des Hauptverbandes als verfassungskonform bewertet habe.

Das von der Regierung vorgelegte 3. Sozialversicherungs- Änderungsgesetz 2004 enthält neben der Neuorganisation des Hauptverbandes unter anderem die Klarstellung, dass die Zehn-Euro-Gebühr für die im Lauf des Jahres 2005 einzuführende Sozialversicherungs-Chipkarte erst ab 2006 zu entrichten ist. Bis dahin wird stattdessen noch die Krankenscheingebühr kassiert. Adaptiert werden auch die Bestimmungen in Bezug auf die Einholung einer chefärztlichen Bewilligung bestimmter Medikamente: Für die Patienten entfällt ab 2005 der Gang zum Chefarzt.

Üblicher Schlagabtausch

Bei der Debatte kam es zum üblichen Schlagabtausch zwischen Vertretern von Opposition und Koalitionsparteien. SPÖ und Grüne orten in dem Regierungsentwurf zur Hauptverbands-Reform schwere verfassungsrechtliche Mängel und prophezeiten eine neuerliche Aufhebung durch den VfGH. Im Gegensatz dazu lobte die FPÖ das Modell. Die ÖVP sieht keine verfassungsrechtlichen Probleme.

Die Vorsitzende des Sozialausschusses, Heidrun Silhavy (S) warf der "schwarz-blauen Regierung" vor, mit den neuen Bestimmungen "ganz unverfroren eine Umkehrung der Gewichtung der Selbstverwaltung von Arbeitnehmern hin zu Arbeitgebern zu vollziehen". Die Mehrzahl der Versicherten habe künftig ein Weniger an Stimmrecht. Es könne nicht sein, dass beispielsweise in der Trägerkonferenz die Pensionsversicherungsanstalt mit mehr als 2,7 Millionen Versicherten das selbe Stimmengewicht habe wie die Versicherungsanstalt des Notariats mit 821 Versicherten.

Öllinger: Regierung sichert sich mit "Schach- und Winkelzügen alle Macht"

Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger kritisierte vor allem das Verhalten der ÖVP: Wesen einer Demokratie sei es, dass der Wille der Vertretenen abgebildet werde. "Und der schaut sicher nicht so aus, dass sich die ÖVP mit allerlei Schach- und Winkelzügen alle Macht sichert". Der Kreislauf aus schwarz-blauer Umfärbung, Aufhebung durch den VfGH und neuer schwarz-blauer Umfärbung könnte nur in der Einführung einer Versichertenwahl durchbrochen werden. Die Versicherten sollten selbst entscheiden, wer ihre Interessen in den Versicherungen und im Hauptverband vertritt.

In einer Aussendung meinte der Leitende ÖGB-Sekretär Richard Leutner, der Entwurf habe nichts mit Selbstverwaltung zu tun. Selbstständige würden künftig zehn Mal so viele Stimmen wie Arbeitnehmer haben. Eine paritätische Besetzung entspreche keineswegs der Versichertenstruktur.

FPÖ-Sozialsprecher Max Walch hält dagegen die paritätische Besetzung des Hauptverbands für den richtigen Weg. Außerdem lobte er Einsparungen. Künftig werde es nur mehr zwei statt fünf Verwaltungskörper geben.

ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits sieht keinerlei verfassungsrechtliche Probleme mit dem neuen Entwurf. "Die SPÖ will wohl nicht zur Kenntnis nehmen, dass ihre Anfechtung der Hauptverbands-Reform ein anderes Ergebnis gebracht hat als sie offenbar erwartet hat. Schließlich legt der Verfassungsgerichtshof stärker Wert darauf, dass alle Sozialversicherungsträger im Hauptverband vertreten sind und das ist auch von ÖVP und FPÖ vorgesehen", so Tancsits. (APA)