Die Krise, aus der er gestärkt hervorzugehen hoffen darf, hatte Sharon sehenden Auges herbeigeführt, und sie hinderte ihn nicht daran, auch Mittwochnacht wieder selbstbewusst zu erklären: "Der Abzug aus Gaza wird vollständig und nach dem festgelegten Zeitplan ausgeführt."
Wie schon so oft in der Vergangenheit war es vordergründig wieder einmal ein Haushaltsentwurf, an dem eine israelische Koalition zerbrach, und bei allen nahostpolitischen Sorgen kommt auch den Wirtschaftsthemen in Israel einiges Gewicht zu. Mit einem beinahe brutalen Spar- und Privatisierungskurs ist es Finanzminister Benjamin Netanjahu gelungen, die durch die Intifada und die Hightechflaute ramponierte Wirtschaft wieder zum Wachsen zu bringen. Zugleich scheinen die Armen immer ärmer zu werden, und wie schon vor einem Jahr wehren sich die Linken und die Religiösen wieder gemeinsam gegen ein als "unsozial" und "herzlos" kritisiertes Budget. Trotzdem wäre es für Sharon nicht unbedingt notwendig gewesen, der kleinen "Thora-Judentum"-Partei gerade jetzt eine relativ unbedeutende Summe für religiöse Zwecke zuzuschanzen – der Zug war offensichtlich darauf angelegt, die engagiert antireligiöse Shinui hinauszuekeln.
"Wir stehen mitten in wichtigsten außen- und wirtschaftspolitischen Prozessen", sagte Sharon beinahe entschuldigend in Richtung seiner bisher treuesten und nun so kühl entsorgten Partner, "es ist meine Pflicht, weiter das Land zu managen". Neuwahlen kamen für Sharon nicht infrage, weil dadurch der Rückzug lange verzögert oder gar verhindert würde, und mit Shinui im Boot war eine Erweiterung der Koalition einfach nicht machbar: Shinui selbst würde sich nämlich mit den orthodoxen Fraktionen nie an einen Regierungstisch setzen, und eine Kombination mit Shinui und der Arbeiterpartei würde von den Likud-Falken als zu linkslastig abgelehnt.