Ein Sprung ins Wasser empfiehlt sich erst, wenn sich im selbigen auch Wasser empfindet.

Wien - Fehlt nur noch eine Million Liter Wasser. Binnen einer knappen Woche wurde in der großen Wiener Stadthalle ein kleines Swimmingpool errichtet, 21 Meter breit und 25 Meter lang, schließlich handelt es sich um eine Kurzbahn-EM, die da am nächsten Donnerstag beginnen wird. So oder so wird die Tiefe des Wassers, das von der Wiener Feuerwehr heute aus dem guten, alten Stadthallenbad hinübergepumpt wird, 180 Zentimeter betragen, da wirken ordentliche Kräfte, denen wiederum wirken Betonfertigteile und 900 Laufmeter Zugstangen entgegen.

Mirna Jukic stand gestern am Rande des Beckens, in dem sie morgen die ersten Längen abspulen wird. Sie habe "schon mit dem Abbauen begonnen", sagte Jukic, die sich also in der unmittelbaren Vorbereitung befindet. Die letzte Einheit in der Kraftkammer liegt schon einige Tage zurück, nun werden eher gymnastische Übungen absolviert, Jukic will "locker werden, aber nicht zu locker". Im Aufbau ist sie seit den Olympischen Spielen in sämtlichen Schwimmstilen unterwegs gewesen, nun konzentriert sie sich auf ihre Domäne, das Brustschwimmen. Hauptaugenmerk liegt auf Start- und Wendeübungen, den Wenden kommt auf der halb so langen Bahn doppelte Bedeutung zu.


Ziel und Rechnung

Die Titelverteidigung über 200 Meter ist Jukic' erklärtes Ziel, sie verspürt "positiven Druck. Man weiß, man ist fähig, das zu schaffen, schließlich hat man es schon einmal geschafft." Ihr Rekord liegt bei 2:20,28 Minuten. "Wenn ich den unterbiete, sollte es für den Sieg reichen", sagt Jukic. "Und ich glaube, es wäre an der Zeit, ihn zu unterbieten." Auch über 50 und 100 Meter könnten sich Spitzenplätze ausgehen - Jukic ist gefragt, wenn sich die Rechnung von Markus Rogan ausgehen soll, der das 14-köpfige Team am Ende unter den besten drei Nationen erwartet.

Rogan selbst trainiert in der Südstadt, wo er zuletzt auch - gemeinsam mit Judoka Claudia Heill - die Werbetrommel rührte fürs Leistungssportzentrum. Dessen Image und Bekanntheitsgrad zu heben, ist das Ziel von Gunnar Prokop, der seit 1975 das Internat leitet. "Wir brauchen die Besten", sagt Prokop. Derzeit schicken die diversen Sportverbände jedes Jahr etwa 80 Kinder zu den Aufnahmetests, 30 der 80 werden aufgenommen. Die Olympiazweite Heill hat das Internat absolviert, der doppelte Olympiazweite Rogan, der in Stanford studierte, nützt nun "die optimalen Bedingungen". Das Zentrum wurde um zehn Millionen Euro hergerichtet, Prokop sagt: "Wenn ich mir anschaue, wo überall gespart wird, danke ich allen Obergöttern - bei uns wurde nicht gespart."

Die EM wird, wie die Nennliste zeigt, hervorragend besetzt sein. Das Ziel, unter die Top drei in der Nationenwertung zu kommen, gibt Rogan zu, ist hoch gegriffen. "Aber ich bleib dabei." .(DER STANDARD Printausgabe, 3. Dezember 2004, Fritz Neumann)