Der britische Fernsehsender BBC ist am 20. Jahrestag der Giftgaskatastrophe im indischen Bhopal einem Schwindel über eine Entschädigung durch den US-Chemiekonzern Dow Chemical in Milliardenhöhe aufgesessen. Die BBC zog am Freitag einen Bericht zurück, in dem ein angeblicher Dow-Chemical-Sprecher mit der Aussage zitiert wurde, der Konzern übernehme die volle Verantwortung und zahle den Opfern zwölf Milliarden Dollar (9,01 Mrd. Euro) Entschädigung.

"Diese Information war ungenau, Teil eines aufwändigen Schwindels", teilte der Sender mit. Auch Dow Chemical und die heutige Tochter Union Carbide, in deren Fabrik sich das Unglück ereignet hatte, wiesen den Bericht zurück.

Aktien gaben nach

Eine Übernahme der vollen Verantwortung und eine weitere Entschädigung wäre eine Abkehr von der bisherigen Unternehmenspolitik des größten US-Chemiekonzerns gewesen. Die Aktien von Dow Chemical gaben unmittelbar nach der Bekanntgabe des angeblichen Entschädigungsplans im europäischen Handel vor Börsenbeginn in den USA um 3,2 Prozent nach.

Die BBC hatte den Bericht zwei Mal gesendet, in dem sich ein angeblicher Dow-Chemical-Sprecher namens Jude Finisterra äußerte. Der Mann sagte: "Ich bin sehr glücklich, dass ich heute mitteilen kann, dass Dow erstmals die volle Verantwortung für die Katastrophe in Bhopal übernimmt." Die Entschädigung solle auch den 120.000 Opfern zugute kommen, die ihr ganzes Leben lang medizinische Hilfe benötigen könnten, hatte der angebliche Konzernsprecher gesagt. Außerdem solle das Fabrikgelände saniert werden.

Niemals ein Mitarbeiter oder Sprecher

"Wir haben beschlossen, Union Carbide zu liquidieren, diesen Albtraum für die Welt, der Dow Kopfschmerzen bereitet", sagte der Mann. Später erklärte die BBC, der angebliche Sprecher vertrete den US-Konzern nicht. Auch die Sprecherin von Dow Chemical, Marina Ashanin, sagte der BBC, der Bericht entbehre jeglicher Grundlage. "Wir bestätigen zudem, dass Jude Finisterra niemals ein Mitarbeiter oder ein Sprecher von Dow war." Auch ein Sprecher von Union Carbide sagte: "Der BBC-Bericht ist falsch."

In der Nacht vom 2. auf 3. Dezember 1984 waren in der Pestizidfabrik von Union Carbide in Bhopal fast 40 Tonnen des hochgiftigen Gases Methylisocyanat ausgetreten. Rund 3500 Menschen starben sofort in der Giftgaswolke über der zentralindischen Stadt. Bis heute sind nach Schätzungen der indischen Regierung mindestens 15.000 Menschen an den Folgen des Unglücks gestorben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International geht von mehr als 20.000 Toten aus. Opfer leiden bis heute unter anderem an Atemwegserkrankungen und Krebs. Die Katastrophe ist eines der schwersten in der Geschichte der Industrie. (APA/Reuters)