Spätestens mit dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes in Kiew hat sich die Ukraine nachhaltig verändert. Denn das, was sich in den vergangenen Wochen in dem Land zugetragen hat, wäre vor wenigen Jahren völlig undenkbar gewesen. Noch im September 2000 wurde der vorlaute Journalist Georgi Gongadse in Kiew verschleppt und ermordet. In den politisch heißen Novembertagen vier Jahre später hielten die Büttel des autoritären Präsidenten Leonid Kutschma still. Auch die eingeschleusten russischen Rollkommandos gingen nicht gegen die Proteste vor. Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege mussten es zulassen, dass ein einigermaßen unabhängiges Gericht in die Lage kam, über die Rechtmäßigkeit der Präsidentenwahlen zu entscheiden.

Allein das war ein großer Erfolg für die demokratischen Kräfte in dem Land. Dass die Stichwahl dem Richterspruch zufolge nun am 26. Dezember wiederholt werden muss, ist ein ungeheurer Triumph. Die Bewegung um Viktor Juschtschenko wird - spielen Kutschma und Konsorten nun auf Zeit oder nicht - ihren Schwung bewahren. Der Demokratisierungsprozess in der Ukraine, das sagten Beobachter schon nach den ersten Massendemos, ist unumkehrbar. Und die Erfrierungen, Lungenentzündungen und Grippen, die sich tausende dabei geholt haben, sind ein wohlfeiler Preis dafür.

Natürlich, auch nach den Kutschmas und Janukowitschs wird es Clans geben, die ihre Macht in dem Land weidlich nützen werden. Aber für sie wird es nicht mehr so einfach sein, die Menschen als Stimmvieh zu behandeln und mit der Knute in jede gewünschte Richtung zu treiben. Als Garant dafür steht die EU, die in der Region unversehens zu einer Ordnungsmacht geworden ist. Und dafür werden auch die Millionen des George Soros sorgen, der notfalls auch Rosen für friedliche Revolutionen (siehe Georgien) in den Osten fliegen lässt. (DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.12.2004)