Im Gegenteil: Die Kauergasse ist wohl das, was die Politik gemeinhin als schulischen Problemfall bezeichnet: Der Ausländeranteil unter den 200 Schülern beträgt über 80 Prozent, zwei Drittel davon sind in Wien geboren. Die Buben tragen hier Vornamen wie Muhamad, Mustafa, Ramazan oder Iwan, die Mädchen heißen Esra, Serife oder Dragona.
Deutsch als Muttersprache ist also die Ausnahme, viele der Kinder beherrschen aber nicht einmal die Sprache ihrer Eltern in einem Ausmaß, das ihrem Alter gerecht würde. "Die Herkunftsfamilien dieser Kinder haben oft nur eine regionalsprachige Kompetenz", erklärt Herzele, "sie können abstrakte Begriffe nicht erfassen, weil sie nicht in ihrer Muttersprache alphabetisiert sind." Sprache lernen und Sprache fördern stehen also an erster Stelle in dieser Schule - ein Anspruch, der durch die Sparmaßnahmen im Bildungssystem in den letzten beiden Jahren de facto verunmöglicht wurde. Im Jahr 2000 standen Herzele für die Förderung von Schülern mit nicht deutscher Muttersprache insgesamt fünf Lehrerdienstposten zur Verfügung, ein dreiköpfiges Team aus muttersprachlichen Lehrern für Serbokroatisch, Türkisch und Albanisch kümmerte sich um die besonders schwierigen Fälle. Aktuell muss Herzele mit nicht einmal der Hälfte der Ressourcen auskommen: Nach den Kürzungen blieben ihm zwei Lehrerdienstposten und der Albanisch sprechende Begleitlehrer. Herzele: "Es geht an die Substanz."
Dabei zeigt die Kauergasse, dass eine gemischte Herkunft der Schüler nicht per se ein Nachteil sein muss, sofern es entsprechende Mittel und Personal gibt. Denn die Lehrer sind automatisch zum Teamteaching gezwungen: Statt frontal sitzen die Schüler in Gruppen, Projektarbeit und interkulturelles Lernen werden groß geschrieben - also all jene Unterrichtsformen, die im Pisa-Musterland Finnland in allen Schulen von vornherein praktiziert werden.