Innsbruck - Aus Verzweiflung schädigen sich vermehrt inhaftierte Flüchtlinge selbst. Im Innsbrucker Schubgefängnis befinde sich "fast täglich" jemand im Hungerstreik, bestätigt der für das Gefangenenhaus zuständige Leiter des Polizeipräsidiums, Erich Krüger, Berichte der Arge Schubhaft. Öfters komme es auch zu Selbstverletzungen: Zwei- bis dreimal pro Woche füge sich jemand Wunden zu, "mit Gegenständen wie etwa Vorhanghaken".

Zusammenhang mit verschärften Asyl- und Fremdenrecht

Die Arge Schubhaft sieht einen Zusammenhang mit dem verschärften Asyl- und Fremdenrecht. "Seither befinden sich vor allem Flüchtlinge in Haft, die weit gehend rechtlos sind. Sie haben oft nichts anderes als ihr nacktes Leben", sagt Arge-Obfrau Michaela Ralser. Traumatisierungen durch die Flucht würden durch die Haft verstärkt: "Die Angst vor der Abschiebung ist massiv", sagt Arge-Koordinatorin Birgit Unterlechner.

Entlassung wenn Blutzuckerspiegel einen Schwellenwert unterschreitet

Inhaftierte, die in den Hungerstreik treten, müssen entlassen werden, sobald der Blutzuckerspiegel einen Schwellenwert unterschreitet. Krüger: "So gut es geht, verständigen wir vor der Entlassung die Arge Schubhaft." Dort fühlt man sich jedoch unzureichend informiert. Die Menschen würden sich selbst überlassen, es fehle die Nachbetreuung. Krüger sagt dazu: "Jeder ist in Freiheit für sich verantwortlich."

Einen "dringenden Bedarf" psychiatrischer Betreuung "für drei, vier Stunden am Tag" sieht der Primar der Psychiatrie Hall, Christian Haring. Unterstützt wird die Forderung von der Menschenrechtskommission. Auch Polizeichef Krüger meint: "Das fehlt leider." Psychotherapeutische Hilfe würde ebenso das Tiroler Zentrum für interkulturelle Psychotherapie der Diakonie, Ankyra, anbieten - doch nur, "wenn das eigens finanziert wird". (Benedikt Sauer, DER STANDARD Printausgabe 4.12.2004)