London/Genf/Paris/Luxemburg - Internationale Tageszeitungen beschäftigten sich in ihrer Samstag-Ausgabe mit dem Urteil des Obersten Gerichts zur Wiederholung der Präsidentenwahl in der Ukraine.

Die konservative "Times" (London):

"Richter Anatoli Jarema wird vielleicht schon jetzt mit einer Statue auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew geehrt. Die Entscheidung der Kammer des Obersten Gerichts, der er vorsitzt, das offizielle Ergebnis der Wahlen in der Ukraine vom vergangenen Monat zu kippen, war eine bedeutende Erklärung der Unabhängigkeit vom russischen Einfluss, wie die offizielle Verkündigung, die die Sowjetunion vor 13 Jahren zerbrechen ließ. Seitdem ist das Vermögen der Ukraine, einzig im eigenen Interesse zu handeln, nie so auf die Probe gestellt worden."

"Neue Zürcher Zeitung" (Genf):

"Der Name Ukraine heißt Grenzland oder Region am Rande. (...) Nun ist das weite Land am Dnjepr plötzlich ins Zentrum der internationalen Nachrichten und Schlagzeilen gerückt. (...) Wie immer die bis jetzt friedlich ablaufende Volksrevolution in Kiew in nächster Zeit ausgehen wird - die ukrainische Gesellschaft ist dabei, sich von politischer und kultureller Unmündigkeit mit Riesenschritten zu befreien. Diese Emanzipation in den Köpfen der erwachten Bürger wird sich nicht durch Hinhaltemanöver oligarchischer Netzwerke oder finstere russische Verschwörungstheorien rückgängig machen lassen."

"Tages-Anzeiger" (Genf):

"Allein die Tatsache, dass sich das Oberste Gericht nicht einschüchtern ließ und sein Urteil gemäß dem Gesetz gefällt hat, ist ein Sieg für die Ukraine, wo Richter immer wieder als Vollstrecker politischer Abrechnungen missbraucht werden. Die Menschen in Kiew feierten die Richter wie Helden - doch die Helden sind sie selber. Ruhig, aber felsenfest überzeugt von ihrem Recht auf eine faire Wahl, haben sie der Kälte und dem korrupten Regime getrotzt."

"Libération" (Paris):

"Die Annullierung der gefälschten Wahl des Präsidenten in der Ukraine ist in erster Linie eine Sieg für die orangene Revolution, die Bewegung einer Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung, die Schluss machen will mit einem Mafia-ähnlichen Regime der Nomenklatura aus der Nach-sowjetischen Ära, das seit Loslösung der Ukraine aus dem sowjetischen Machtbereich vor 13 Jahren das Land regiert. Es ist aber auch ein Sieg für Europa, dem sich die Ukrainer zugewendet haben. Die Ukrainer werden sich hoffentlich auch auf die Europäische Union verlassen können, auf die sie einen großen Schritt zugetan haben".

"Luxemburger Wort" (Luxemburg):

"Mit der richterlichen Entscheidung, dass die Stichwahl um das Präsidentenamt wegen Wahlfälschung am 26. Dezember wiederholt werden muss, hat das Oberste Gericht der Ukraine möglicherweise eine entscheidende Weichenstellung vollzogen. (...) Die Abnutzungstaktik der Kiewer Machthaber gegenüber der Opposition ist damit klar konterkariert worden. Im Kontrast zur nationalen Wahlkommission haben die obersten Richter mit ihrem Votum ihre Unabhängigkeit bewiesen und allen Pressionen der Machthaber getrotzt. Nicht zu übersehen ist zugleich, dass ohne den Druck des westlichen Auslandes es nicht zur Annullierung dieser offensichtlich massiv manipulierten Präsidentenwahl gekommen wäre. Beide Viktor (Juschtschenko und Janukowitsch) werden also voraussichtlich erneut aufeinander treffen, diesmal hoffentlich unter fairen Bedingungen. Alles spricht solchenfalls für Juschtschenkos Sieg. Eine andere Frage ist, ob die Ukraine angesichts der zu erwarten neuerlichen Spaltung in einen Ost- und Westteil, nicht schließlich ganz auseinander bricht."