Washington - Ein mildes Klima begünstigt die Zeugung von Jungen. Die Zahl der Neugeborenen männlichen Geschlechts schießt auch dann hoch, wenn neun Monate zuvor die Temperaturen in einer eher kühlen Klimazone gestiegen waren. Dadurch kommen in südlichen Breitengraden vergleichsweise "weitaus mehr" Jungen zur Welt als im Norden Europas. Das deckt eine epidemiologische Studie auf, die das Geschlecht von Neugeborenen europaweit zwischen 1990 und 1995 ermittelte. Sie ist im amerikanischen "Journal of Epidemiology and Community Health" (Bd. 54, S. 244) vom Mittwoch veröffentlicht. Das Team um Victor Grech vom St. Luke's Hospital auf der Mittelmeerinsel Malta wollte andere Studien hinterfragen, die einen Rückgang von Babys männlichen Geschlechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgedeckt hatten. Dabei stellten sie fest, dass das warme Klima Maltas dem "männlichen" Samen über Jahrzehnte genug Rückendeckung gegeben hatte, sich im Wettkampf gegen das "schwache Geschlecht" besonders stark durchzusetzen. In Malta gibt es seit 1890 einen Männerüberschuss. Auch in Deutschland werden jeweils etwas mehr Jungen geboren als Mädchen. Dieser Trend verstärkt sich nach Auskunft der Forscher in den wärmeren Ländern. Frühere Forschungen Einen ähnlichen Zusammenhang hatte bereits der deutsche Zoologe Alexander Lerchl von der Universität Münster gefunden. Der Privatdozent verglich die Geburtsdaten von Jungen und Mädchen zwischen 1946 und 1995 mit den jeweiligen Temperaturdaten in Deutschland. Dabei ergab sich eine signifikante Wechselbeziehung, wie er im Juli vergangenen Jahres in der Zeitschrift "Naturwissenschaften" dargelegt hatte. Seine Studie hatte nicht nur ergeben, dass im Sommer mehr Jungen als Mädchen gezeugt werden, sondern auch im Winter, wenn es mal vorübergehend wärmer war. Warum Temperatur und Chromosome arg korrelieren? Den Grund kann er ebenso wie die Forscher in Malta nur vermuten. "Möglicherweise richten höhere Temperaturen etwas im Hoden des Mannes an", sagte Lerchl. Spermien mit den zur Zeugung von Jungen führenden Y-Chromosomen können sich in der Wärme möglicherweise erst richtig entfalten, nehmen die Forscher auf Malta an. Sie führen "statistisch signifikanten" Rückgang von Jungen in Europa seit 1950 vor allem auf den Effekt von Toxinen und anderen Umwelt belastenden Faktoren zurück. (dpa)