Die OSZE, so sagt eine westliche Diplomatin, "ist ein perfekter Spiegel der derzeitigen politischen Lage". Das ist ein eher verzweifeltes Urteil, denn alles in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa strebt nun wieder einem neuen Ost-West-Konflikt zu, den zu überwinden die alte KSZE vor bald 30 Jahren doch mit Erfolg angetreten war.

Am Montag, zum Auftakt des OSZE-Ministergipfels in Sofia, schaut etwa Boris Tarasiuk in diesen Spiegel, ehemaliger ukrainischer Außenminister und nun mit einem Mal die Nummer zwei im Lager des Oppositionsführers Viktor Juschtschenko, was wiederum die Russen zum Grimassieren bringt. Tarasiuk, der auf keiner Rednerliste stand und auch sonst keiner Delegation angehört, erst recht nicht der offiziellen ukrainischen, fordert vom OSZE-Ratsvorsitzenden Solomon Passy, dem bulgarischen Außenminister, gleich dreimal mehr Wahlbeobachter für den neuen Urnengang in der Ukraine am 26. Dezember. "Wir haben über eine Zahl von ungefähr 2000 diskutiert", sagt er ungerührt.

Dass Russland einer solchen Ausweitung zustimmt, glaubt niemand in Sofia. Schließlich habe sich die OSZE vom Westen vereinnahmen lassen und agiere parteiisch, wiederholt die russische Seite schon seit Wochen. Doch auch über die Frage der Zahl der Wahlbeobachter wird letztlich nicht Moskau, sondern die OSZE entscheiden.

Beschwörung der "Ecksteine"

Die Regimekrise der Ukraine und der Erfolg der prowestlichen Oppositionsbewegung sind der vorläufige Höhepunkt der neu entbrannten Rivalität zwischen Ost und West, Russland und seiner schwindenden Zahl von Verbündeten in Osteuropa und Zentralasien auf der einen Seite, der politisch stark expansiven EU auf der anderen. Vorwärts verteidigen und Claims abstecken, ist nun die Devise. Bernard Bot, der niederländische Außenminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende, bemüht die alte Diplomatenmetapher vom "Eckstein". Die inneren Angelegenheiten aller Mitgliedstaaten sind von "legitimen Interesse für jeden von uns" und ein "Eckstein der OSZE", sagt er.

Im Klartext: Der Westen hat jedes Recht, sich in die manipulierten Wahlen der Ukraine einzumischen. Die Einhaltung des KSE-Vertrags, das heißt der Abzug russischer Truppen aus Georgien und Moldawien laut Abkommen über die Verringerung konventioneller Streitkräfte in Europa, sei ein "Eckstein", sagt später Tschechiens Außenminister Cyril Svoboda.

Weil Russland weder an diese beim OSZE-Gipfel in Istanbul 1999 eingegangenen Verpflichtungen erinnert werden will noch die Einmischung des Westens in der Ukraine akzeptiert, sind die Chancen groß, dass die Minister am heutigen Dienstag wie schon 2003 auseinander gehen, ohne eine gemeinsame Erklärung zustande zu bringen. Westliche Diplomaten zeigen sich jetzt unnachgiebig: "Was nützt eine Erklärung, in der die für uns wichtigsten Punkte nicht drinstehen?" (DER STANDARD, Printausgabe, 7.12.2004)