Bauchweh. Nervosität. Unruhe: Diese Symptome hat die am Montag offiziell präsentierte Pisa-Studie schon seit Wochen bei Politikern, Eltern und Lehrern ausgelöst. Es sind aber auch Zustände, die viele Kinder aus der Schule gut kennen. Das bestätigt eine Teilstudie im Rahmen des großen OECD-Schülervergleichstests, die schulische Belastung und gesundheitliche Beschwerden der Kinder genauer analysiert hat. Demnach wird die Schule, wie sie sich den österreichischen Kindern als "Arbeitsort" präsentiert, von vielen als Belastung und als Krankmacher empfunden.
Im Schnitt lautet der Krankheitsbefund der österreichischen Schüler: sechsmal in sechs Wochen. So oft leiden heimische 16-Jährige laut Pisa 2 unter gesundheitlichen Beschwerden wie Müdigkeit/ Erschöpfung, Kopfschmerzen, Nervosität, innere Unruhe, aber auch Schlafstörungen und Bauchschmerzen.
Das gesundheitliche Wohlbefinden von Mädchen wird dabei "besonders negativ" durch "Schwierigkeiten in der sozialen Beziehung zu den Lehrpersonen" beeinflusst, bei Buben sind das eher "schulbezogene Konflikte mit den Eltern". Es zeige sich deutlich, so die Studienautoren, "dass ein erhöhtes Belastungsausmaß in allen untersuchten Problembereichen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergeht".
So fühlen sich über 80 Prozent der 15- und 16-Jährigen, die bei Pisa 2 befragt wurden, durch schulische Probleme belastet. Vor allem Leistungsstress drückt auf die Befindlichkeit der Schulteenager. Drei Viertel der Schüler fühlen sich durch schulische Leistungsanforderungen zumindest teilweise belastet, mehr als ein Drittel klagt über chronische Belastung durch zu hohe Anforderungen.
Dazu kommt offenbar erheblicher sozialer Stress: Über ein Drittel der befragten Schüler berichteten, dass sie sich zumindest gelegentlich durch demütigende Lehrer, gemeine Mitschüler oder gering schätzende Eltern verletzt fühlen", so der Pisa-Bericht. Generell gilt dabei, dass signifikant mehr Buben (24 Prozent) als Mädchen (15 Prozent) der Gruppe der "Belastungsresistenten" angehören, die die Stressfaktoren zwar wahrnehmen, diese aber nicht als belastend empfinden.
Auch Andreas Schleicher, Leiter der OECD-Abteilung für Bildungsindikatoren und Analyse, hob am Montag in Brüssel hervor, dass in Österreich Schüler überdurchschnittlich oft das Gefühl haben, von ihrem Lehrer nicht unterstützt zu werden.
Erziehungswissenschafter Günter Haider, Leiter des nationalen Pisa-Zentrums in Salzburg, schreibt in seinem Pisa-Resümee, dass die "Hauptverantwortung in den Pisa-Domänen ohne Zweifel die pädagogischen ,Profis', das heißt die Lehrerinnen und Lehrer, vor allem in den Grund- und Sekundarschulen" tragen. Und weiter: "Das von den Lehrern stark mitbeeinflusste Klassen- und Schulklima kann eine stark förderliche oder eine eher hemmende Bedingung für die notwendigen Lern- und Erziehungsprozesse darstellen."
Haider will denn auch konsequent in der Lehrerbildung und Fortbildung ansetzen (siehe Interview). Er "vermute, dass wir hier Bedarf haben". Der extrem niedrige Wert der österreichischen Kinder bei "Freude an Mathematik" zeige, dass diese offenkundig "nicht vermittelt wird. Im didaktischen Bereich ist der Wurm drin", so Haider am Montag bei der Präsentation der "bestenfalls mittelmäßigen" Ergebnisse.
Der nüchterne und ernüchternde Befund von Günter Haider lautet: "Kein einziger Rang aus Pisa 1 konnte gehalten werden", in Lesen und Naturwissenschaft gab es sogar ein "sehr deutliches Absinken der Leistungen" (Lesen: von 10 auf 19, Mathematik: von 11 auf 15, Naturwissenschaft: von 8 auf 20, Problemlösen neu: Rang 15). Das seien, so Haider, "eindeutig feststellbare Leistungsverluste".
Allerdings seien die Verluste "nicht schultypen-, sondern subgruppenspezifisch - verantwortlich ist die vorangegangene, lange allgemein bildende Schulzeit und nicht der Schultyp, in dem die Schüler zur Testzeit gerade sind. Alle Subgruppen verlieren gleichmäßig an Boden. Pisa gibt das Ergebnis des Selektionsprozesses mit zehn Jahren wider".