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Walter Nettig wurde durch Buergermeister Michael Haeupl zum 'Buerger von Wien' ernannt

Foto: APA/VOTAVA
Brüll zum Abschied lautstark Servus. Ein leiser Abgang ist dies beileibe nicht, der dem Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Nettig dieser Tage zuteil wurde.

Bezeichnenderweise war es vor allem die SPÖ, die Nettig noch einmal aufputzte wie den Weihnachtsbaum am Rathausplatz. Was wurde ihm nicht alles umgehängt: Hier eine Ehrung, dort ein Beteuern der parteigrenzenlosen und immer währenden Freundschaft. Und zum Abschluss noch das Dekret zum Ehrenbürger, überreicht von Landeshauptmann und Haberer Michael Häupl.

Graue Eminenz

Dass Nettig dabei selbst nachhaltig mitmachte und etwa medienwirksam sein neues repräsentatives Büro als Wiener Außenhandelsbeauftragter vorführte, widersprach eigentlich den sonstigen Usancen seiner Regentschaft. Gefiel er sich doch mehr in der Rolle der Grauen Eminenz, des Königsmachers im Hintergrund der Wiener ÖVP.

Repräsentiert wurde sonst beim Schiffernakel Fahren auf der Alten Donau - gemeinsam mit Häupl. Oder beim Schanigarten-Eröffnen - mit Häupl. Oder im Ausland als Wienwerber und Balleröffner. Oder beim Thonet-Sessel-Präsentieren vor dem New Yorker UNO-Gebäude - neben Häupl.

Alles andere fand wie nebenbei statt. Sei es die Sanierung der Kammer oder die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Stadt. Und selbst wenn Nettig mit Finanzstadtrat Sepp Rieder das eine oder andere Sträußlein ausfocht - dem Frieden zwischen SPÖ und Wirtschaftsflügel konnte das doch nichts anhaben. Ein Barolo geöffnet, die eine oder andere amikale Grappa getrunken - Schwamm drüber.

Vielen in der Wiener ÖVP war das verhasst. Aber was sollten sie tun? An dem absolut in der Wiener Wirtschaftskammer regierenden Präsidenten kamen sie nicht vorbei. All die glücklos agierenden Wiener ÖVP-Chefs: Von Nettig wurden sie gekürt - von Nettig wieder ersetzt.

Früher einmal. Und dies dürfte wohl mit ein Motiv für seinen Rückzug gewesen sein. Denn spätestens als der Wiener ÖVP der Staatssekretär Alfred Finz vorgesetzt wurde und Nettig dem nichts entgegenzusetzen hatte, wurde offenbar, dass die Zeit der Grauen Eminenz zur Neige ging.

Dennoch nahm Nettig das Heft noch einmal in die Hand - und inszenierte seinen Abgang. Überraschte fast die gesamte Partei mit der Ankündigung seines Rückzuges, übertölpelte damit Finz ein letztes Mal.

Montagabend erst konnten sie entspannt voneinander Abschied nehmen, die Partei und er. Bei einem Empfang zu dem seine Nachfolgerin Brigitte Jank geladen hatte. In der Hofburg, in den Redoutensälen. Wo denn sonst. (Roman David-Freihsl, Der Standard, Printausgabe, 07.12.2004)