Hamburg - Der Skandal um Sprint-Star Marion Jones wird zu einem beispiellosen Fall im Kampf gegen das Doping. Unter dem Vorsitz von Vizepräsident Thomas Bach hat jetzt eine dreiköpfige Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Ermittlungen gegen die US-Amerikanerin aufgenommen. Die dreifache Olympiasiegerin von Sydney war vom Chef des kalifornischen BALCO-Labors, Victor Conte, in einem Fernsehinterview des massiven Dopings bereits vor den Sommerspielen 2000 beschuldigt worden.

"Wir sehen uns zunächst diese Anschuldigungen an und prüfen, ob sie sich auf die Olympischen Spiele beziehen", sagte Bach am Mittwoch der dpa. Falls dies zutreffe, werde weiteres Material gesammelt und alle Dokumente würden sorgfältig geprüft. Dazu will das IOC das anhängige ordentliche Gerichtsverfahren gegen Conte abwarten. "Wir stehen nicht unter Zeitdruck", sagte der Rechtsanwalt.

Aberkennung von Olympia-Medaillen umstritten

Das Außergewöhnliche am Fall Jones besteht darin, dass eine eventuelle Aberkennung der fünf Olympia-Medaillen - die 29-Jährige hatte außer drei Gold- noch zwei Bronzemedaillen gewonnen - anfechtbar sein könnte. Die Olympische Charta schreibt fest, dass Doping-Entscheidungen im Zusammenhang mit Olympischen Spielen nur innerhalb von drei Jahren nach der jeweiligen Schlussfeier revidiert werden können. Die Sommerspiele von Sydney waren am 1. Oktober 2000 beendet worden. Bach meint: "Diese Regel hindert uns nicht, tätig zu werden. Sie findet auf diesen Fall keine Anwendung." Auch der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Richard Pound, vertrat die Auffassung, dass die Regel im Fall Jones nicht zur Anwendung kommen muss.

Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) begrüßte das Vorgehen des IOC. "Wir freuen uns darüber, das ist ein notwendiger Schritt", erklärte Generalsekretär Istvan Gyulai, "allerdings müssen Tatsachen auf den Tisch." Die Drei-Jahres-Frist dürfe in dem Fall, dass sich die Anschuldigungen bewahrheiten sollten, keine Rolle spielen, meinte Gyulai: "Es kann nicht sein, dass Formalitäten wichtiger sind als Gerechtigkeit."

"Null Toleranz" in der Praxis

Auf jeden Fall demonstriert das IOC mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, dass es mit der Vorgabe seines Präsidenten Ernst macht. "Null Toleranz bei Dopingfällen", hatte Jacques Rogge erklärt und dies auch mit der Bestrafung von 24 Athleten bei den Olympischen Spielen in Athen unterstrichen. Zustimmung für die Untersuchung erhielt das IOC auch vom Nationalen Olympischen Komitee der USA (USOC). "Im olympischen Sport gibt es keinen Raum für den Gebrauch verbotener und illegaler Substanzen", erklärte USOC-Sprecher Darryl Seibel, "es würde sehr hilfreich sein, wenn die IOC-Untersuchung allen Spekulationen gegen jeden Athleten ein Ende setzen würde." (APA/dpa)