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Pflanzen könnten helfen, den steigenden Energiehunger zu stillen.

Foto: dpa/Roessler
Berlin/Leipzig/Dresden - Noch wird geschweißt und gehämmert bis spät in die Nacht auf dem leicht verschlammten Gelände nahe dem Städtchen Zeitz bei Leipzig. Was sich da aus dem Boden türmt, gleicht einer Raffinerie. Statt Rohöl zu verarbeiten, will die Südzucker AG, die mit 50 Prozent an der österreichischen Agrana beteiligt ist, Schnaps aus Weizen brennen. Sie hat 185 Mio. € in die Anlage investiert.

Das Interesse an dem hochprozentigen Destillat sei gewaltig, erzählt Betriebsleiter Claus Burkhardt bei einem Lokalaugenschein des STANDARD in Zeitz. Grund für den Nachfrageboom ist eine EU-Richtlinie, derzufolge 2005 mindestens zwei Prozent der verkauften Treibstoffmengen aus Klimaschutzgründen biologischen Ursprungs sein müssen.

Steuerbefreiung

Statt 50 bis 60 Prozent wie bei Schnaps muss das Ethanol zur Benzinbeimischung gut 99 Prozent Alkoholgehalt aufweisen. Die Bioethanolanlage in Zeitz könnte auch mit Mais, Roggen oder Gerste fahren. Für Weizen habe man sich entschieden, "weil dieses Getreide hier angebaut wird", sagt Burkhardt. Die Anlage ist die größte ihrer Art in Europa; sie soll bis Ende Dezember fertig werden und Anfang April 2005 in Betrieb gehen. Mit einem Tagesdurchsatz von 2000 Tonnen Weizen (knapp 90 Lkw-Ladungen) sollen jährlich 260.000 m Ethanol und 285.000 Tonnen Tierfutter produziert werden. "Natürlich ist es wichtig, dass der Biosprit von der Mineralölsteuer befreit ist. Sonst würde sich das nicht rechnen", sagt Dietrich Klein, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Arbeitsgruppe Biokraftstoffe, Berlin.

Prognosen zufolge steigt der Biokraftstoffbedarf aufgrund der Beimischungsverpflichtung rapid an. Allein für die EU-15 gibt es Schätzungen, wonach sich der Bedarf bis 2010 auf 14 Mio. Tonnen fast verdreifacht.

"Null Probleme" die nötigen Mengen anzubauen

Helmut Lamp vom Bundesverband für Bioenergie sieht "null Probleme", die nötigen Mengen Getreide, Raps oder Elefantengras anzubauen. Die europäische Landwirtschaft könne bis zu 40 Prozent des erforderlichen Treibstoffs sicherstellen, zumal immer weniger Fläche für die Nahrungsmittelproduktion nötig sei.

In Österreich hat man sich auf einen Bioanteil im Sprit von 2,5 Prozent ab 1. Oktober 2005 verständigt; die von der EU-Kommission erst für 2010 vorgeschriebene Beimischung von 5,75 Prozent soll hier zu Lande ab 1. Oktober 2008 verpflichtend sein. Agrana-Chef Johann Marihart will bis Mitte 2005 entscheiden, ob es dafür steht, eine eigene Ethanolanlage zu bauen. Diese müsste auf etwa 200.000 m ausgelegt sein, um den Jahresbedarf in Österreich zu decken.

Die Autohersteller ihrerseits setzen verstärkt auf synthetische Biokraftstoffe, weil diese nach ihren Vorgaben fabriziert werden können. In Freiberg bei Dresden entsteht in einer Anlage von Choren Industries ein alternativer Sprit aus Holz. Angelehnt an das seit Jahrhunderten praktizierte Verfahren zur Holzkohleherstellung wird die Biomasse verschwelt, das Schwelgas anschließend bei Temperaturen von weit über 1000 Grad verbrannt. So entsteht ein sauberes Synthesegas, das sich verflüssigen lässt. VW und DaimlerChrysler fördern das Projekt mit mehreren 100.000 €.

Nahe Greifswald soll 2005 die erste von fünf kommerziellen Anlagen entstehen. Kostenpunkt: 400 Mio. Euro. Die "Sundiesel"-Anlage wird eine Jahreskapazität von 225 Mio. Litern und Herstellungskosten von rund 50 Cent pro Liter haben. Das wäre rund doppelt so teuer wie die Produktion herkömmlichen Diesels. Dank Steuerbefreiung soll das Produkt konkurrenzfähig sein. (Günther Strobl, Der Standard, Printausgabe, 09.12.2004)