Wien - Es ist ein Text des späteren preußischen Generalfeldmarschalls Alfred Graf von Schlieffen aus dem Jahr 1909. Und doch könnte er aus Tagebüchern von US-Soldaten stammen, die von ihren Panzern aus den Irak beobachten. Denn Schlieffen beschreibt darin eine Vision des modernen Schlachtfeldes, das nicht mehr durch das Auge, sondern vielmehr durch die Technologie - die "Netze der Telekommunikation" - kontrolliert wird, während der Stratege "auf einem bequemem Stuhl vor seinem breiten Tisch auf einer Karte das Schlachtfeld" übersieht und das Geschehen lenkt.

Schlieffens technologisiertes Schlachtfeld, welches das Gleichzeitige ermöglichen und Abstraktion erfordern würde, diente dem deutschen Kulturwissenschafter Christoph Asendorf bei einem Vortrag am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien als Beispiel, um die gegenseitige Beeinflussung der Systeme Kunst und Krieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzuzeigen. Seine These: Die Berührungen zwischen Kunst, Krieg und Technologie wären wiederkehrende Stränge und typisch für die Moderne.

Der Professor für Kunst und Kunsttheorie an der Europa-Universität in Frankfurt/Oder und derzeitige Visiting Fellow am IFK belegte dies anhand von Beispielen aus Literatur, Architektur, Wissenschaft und bildender Kunst. Den Bezug zwischen dem Raum der Kunst und des technisierten Krieges findet Asendorf sowohl auf thematischer als auch auf gestalterischer Ebene. Der Futurismus beispielsweise - die erste Avantgardebewegung Europas im 20. Jahrhundert - verherrlichte den Krieg nicht nur als den großen Erneuerer und Schöpfer des neuen Menschen, sondern wies auch in seinen Raumkonzepten, ähnlich wie der Kubismus , starke "Affinitäten zum Kriegsraum" à la Schlieffen auf, so Asendorf.

Glück und Rausch

"Ein ganzes Geflecht von Bezügen zwischen dem Krieg und avantgardistischer Kunstproduktion" wären auch bei Robert Musil sichtbar, der unter anderem in seiner Erzählung Die Amsel die von Flugzeugen herabschießenden Fliegerpfeile als Glück, Rausch und "luftkriegsinduzierte Ekstase" empfinden würde, sagte Asendorf.

Auch Le Corbusier ließe seiner Faszination für militärische Macht und unbeschränkte Mobilität freien Lauf, wenn er beispielsweise in seinem Plan für Algier künstliche Landschaften technokratischer Ordnungen entwirft.

Wo Kriegserfahrung, da sei auch Zerstörung nicht weit, folgerte Asendorf. Diese sei nicht von der Moderne zu trennen, ja man könne eine "Geschichte der Moderne unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Modi der Destruktion schreiben". Man denke an den Ökonomen Schumpeter, der die "schöpferische Zerstörung" zum Leitprinzip modernen Wirtschaftslebens erhob. Heute wäre, sagte Asendorf, der Krieg als Faszinosum in die Massenkultur zurückgekehrt: Coppola, der in seinem Apocalypse now die Musik Wagners mit einem Hubschrauberangriff kombinierte, "setzte hier ein Zeichen", aber anders als die lustvollen Mensch-Maschine-Symbiosen der Futuristen: Schrecken und Sinnlosigkeit des Krieges stünden diesmal im Vordergrund. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.12.2004)