Hammelburg - In der Diskussion um Misshandlungen von Soldaten hat die deutsche Bundeswehr nachgestellte Geiselnahmen unter bestimmten Bedingungen als sinnvolle Vorbereitung für einen Auslandseinsatz verteidigt. Solche praktischen Übungen seien sinnvoll, um Soldaten auf das richtige Verhalten in schlimmsten Fällen vorzubereiten, sagte der Leiter des Ausbildungszentrums im unterfränkischen Hammelburg, Wolfgang Krippl, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings gebe es klare Anweisungen zu Regeln und Verboten. Hammelburg ist einer von zwei Bundeswehr- Standorten, die auf solche Übungen spezialisiert sind, die aber nicht Teil der Grundausbildung sind.

Psychische Belastung ist extrem

"Die psychische Belastung der Teilnehmer ist extrem. Wir müssen aufpassen, dass jederzeit die Würde des Menschen geachtet und niemals die Linie zur körperlichen Überforderung überschritten wird", betonte Oberst Krippl. Die körperliche Unversehrtheit der Geiseln solle durch genaue Regeln gewährleistet werden. Drohungen oder Beleidigungen persönlicher Art durch die Entführer seien tabu. "Außerdem kann jeder sofort aussteigen und das durch ein vereinbartes Handzeichen oder ein Codewort signalisieren. Es entscheidet jeder selbst, ob er das weiter durchsteht", erklärte der Leiter des Ausbildungszentrums.

Ausbildner psychologisch geschult

Die Ausbilder seien qualifiziert, psychologisch geschult und hätten ein wachsames Auge auf den Zustand jedes einzelnen. Jede Gruppe werde außerdem von "Schiedsrichtern" überwacht, die bei Bedarf eingreifen könnten. "Abbrüche kommen immer wieder vor, weil Ausbilder oder Schiedsrichter sehen, dass eine Geisel überfordert ist", sagte Krippl. Alle würden außerdem in einem vorherigen Theorie-Teil gut auf die Situation vorbereitet. Anschließend werde das Erlebte in Dialogen aufgearbeitet. "Wichtig ist, dass bei den Betroffenen nichts zurückbleibt, was nicht verarbeitet ist."

Rollenspiel

Die Erfahrung als Geisel in solchen Rollenspielen sei für jeden Einzelnen sehr wichtig, unterstrich der Leiter der Infanterieschule der Bundeswehr. "Wir haben die Pflicht, unsere Soldaten für schlimmste Fälle vorzubereiten, damit sie diese überstehen", betonte Krippl. Dafür sei es nötig, eine große psychische Spannung aufzubauen. Den Geiseln werden die Augen verbunden, sie werden gefesselt und von ihren Entführern herum dirigiert und verhört. "Dabei sollen die Geiseln trainieren, ruhig zu belieben und niemanden durch unbedachtes Verhalten zu gefährden. Sie sollen nicht den Helden spielen. Das muss in der Praxis geübt werden", sagte Krippl.

Die nachgestellte Geiselnahme ist Teil eines einwöchigen Kurses in Hammelburg, bei dem beispielsweise auch die Bergung von Verwundeten oder die Feldlagersicherung geübt wird. Ähnliche Übungen gibt es dort auch für Journalisten, die sich auf einen Einsatz in Kriegsgebieten vorbereiten.

Auch beim Bundesheer wurden rund 80 Grundwehrdiener der oberösterreichischen Kaserne Freistadt Opfer einer inszenierten "Geiselnahme". (APA/dpa)