Die Mediziner beobachten, dass die Zahl jener kleinen Patienten, die mit psychosomatischen Erkrankungen ins Spital kommen, seit Jahren steigt. "Wir haben eine permanente Warteschleife", sagte Wolfgang Sperl, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Geplant sei, die Zahl der Betten auszuweiten.
Druck
Betroffen von psychischem Stress könnten schon Kinder im Säuglingsalter sein. Disharmonien, Scheidung und Trennung, der Tod von Angehörigen oder schwere Erkrankungen innerhalb der Familie können die Belastungen verursachen. Es gehe dabei nicht nur um Gewalt, Missbrauch oder Sucht als Ursache, präzisierte Sperl. Der Druck könne sich mit körperlichen Beschwerden vom Baby- bis zum Erwachsenenalter manifestieren. Der Mediziner schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der im Spital aufgenommenen Kinder in den Bereich der Psychosomatik fallen.
Frühe belastende oder traumatische Lebenserfahrungen würden oft verborgen bleiben und sich erst viel später zeigen. Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder Schlaganfälle könnten die Folge des frühkindlichen Stresses sein, meinte auch Manfred Stelzig, Leiter des Sonderauftrags für psychosomatische Medizin, der mit den Kollegen auf der Kinder- und Jugendklinik eng zusammenarbeitet. Aber auch Essstörungen, Alkohol- und Nikotinsucht seien mögliche Auswirkungen. Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen, die frühkindlichen Stress erlebt hätten, eine vierfach erhöhte Neigung hätten, an chronischen Lungenleiden zu erkranken als Personen, die diesen Belastungen nicht ausgesetzt waren.
Abwehr ...
"Kindliches problematisches Aufwachsen muss man mit Erwachsenenerkrankungen in einem engen Zusammenhang sehen", erklärte Stelzig. Allerdings würden viele Patienten immer noch mit Abwehr reagieren, wenn man ihnen rate, bei Bluthochdruck einen Psychiater zu konsultieren. "Ich spinne doch nicht", wäre nach wie vor eine häufige Reaktion. Im Rahmen des Sonderauftrags für psychosomatische Medizin werden pro Jahr rund 3.350 Patienten betreut, erläuterte Stelzig.