Wien - "Geraubte Bücher. Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit" nennt sich eine Ausstellung, die bis 23. Jänner im Prunksaal der Nationalbibliothek zu sehen ist. Dokumentiert wird darin, u.a. an Hand exemplarischer Fälle, die unrechtmäßige Erwerbungspolitik des Hauses in der NS-Zeit ebenso wie die Restitutions-Geschichte von der Nachkriegszeit bis zur Provenienzforschung der Gegenwart.

Der Untertitel der Schau sei "durchaus programmatisch zu verstehen", betonte ÖNB-Direktorin Johanna Rachinger bei der Presseführung am Donnerstag. Mit der Ausstellung und der Restitution der "Geraubten Bücher" wolle man "nicht so sehr einer gesetzlichen als einer moralischen Verpflichtung nachkommen". Mit Margot Werner, die zusammen mit Christina Köstner auch die Schau kuratiert hat, habe die ÖNB eine Historikerin ans Haus geholt und mit der erstmaligen "lückenlosen Aufarbeitung dieser so beschämenden Geschichte" betraut, um sich endgültig von den "braunen Flecken" befreien, die das Haus immer noch verdunkeln, so Rachinger.

Schwerpunkte

Schwerpunkte der Ausstellung sind die NS-Zeit unter ÖNB-Generaldirektor Paul Heigl, einem fanatischen Nazi, und dessen offensive Bereicherungspolitik, die ersten Rückstellungsbemühungen in der Nachkriegszeit unter Heigls wieder eingesetztem Nachfolger Josef Bick, und die Provenienzforschung der Gegenwart. Im Mittelpunkt der Schau stehen acht exemplarische Fälle von Enteignungen zu Gunsten der ÖNB, darunter die beiden Schwestern Elise und Helene Richter, zwei in Theresienstadt ermordete Wissenschafterinnen oder der in die USA emigrierte Sohn Arthur Schnitzlers, Heinrich Schnitzler.

Wie viele Objekte insgesamt zwischen 1938 und 1945 unrechtmäßig von den ÖNB erworben wurden, lässt sich heute nicht mehr genau festmachen, denn auf Grund der Menge wurden die Angaben in "Kisten, Körben und Koffern" gemacht, so Werner, und zudem die Spuren der rechtmäßigen Besitzer bewusst verschleiert. Eine konservative Schätzung ergibt aber "mindestens 150.000 Druckschriften und 45.000 Sammlungsobjekte". Der 2003 abgeschlossene Provenienzbericht der ÖNB enthält über 25.000 unrechtmäßig erworbene Objekte. Einiges davon wurde bereits auf Basis des Kunstrückgabegesetzes von 1998 restituiert, doch vom Großteil lassen sich heute keine rechtmäßigen Besitzer bzw. Erben mehr ausmachen, er wird in den Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus übergehen.

Begleitend zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, herausgegeben von Köstner, Werner und von Murray G. Hall, der derzeit an einem Forschungsprojekt zur Geschichte der ÖNB in der NS-Zeit arbeitet, das nächstes Jahr abgeschlossen werden soll. (APA)