Der Geruch von Lagerfeuern liegt über dem Kreschtschatik, dem Boulevard, der zu Kiews Platz der Unabhängigkeit führt. Und es wird weiter nachgelegt, Holzstapel türmen sich am Rande. Die Tausenden Bewohner der Zeltstadt richten sich aufs Bleiben ein. "Bis zu den Wahlen", sagt ein junger Mann einsilbig.

Ein paar Schritte weiter auf dem Unabhängigkeitsplatz stehen die Zeichen auf Abschied: Telefonnummern und Adressen werden ausgetauscht, man versichert einander, in Kontakt zu bleiben. In den Rap aus Lautsprechern mischt sich ein Volkslied, das eine Gruppe aus der Südukraine zum Besten gibt, bevor sie in den Bus nach Hause steigt.

Wenige Stunden zuvor hatte Oppositionsführer Viktor Juschtschenko am Mittwochabend mit Zehntausenden Demonstranten die Beilegung der wochenlangen Staatskrise gefeiert. "Wir haben der Welt gezeigt, dass die Ukraine ein modernes europäisches Land ist", resümierte er sichtlich gerührt. Ein Fest mit Feuerwerk zum Etappensieg. Das Parlament hatte mit großer Mehrheit einer Paketlösung zugestimmt - sie umfasst das von der Opposition eingebrachte Wahlgesetz zur Verhinderung von Manipulationen bei der Wiederholung der Stichwahl am 26. Dezember und die von der Regierung geforderte Verfassungsänderung, die die Macht des neuen Präsidenten beschneidet.

"Ein historischer Kompromiss", verkündete Juschtschenko. Aber auch Stimmen der Skepsis mischen sich in die Freude der Ukrainer: "Schaut ganz in Ordnung aus", meint ein Student zum Kompromiss: "Allerdings kenne ich die ganzen Details nicht." Dort könnte der Teufel sitzen, wirft ein Bürokaufmann ein: "Die Verfassungsänderung nützt der Kutschma-Truppe, und die wird ihren Einfluss behalten."

Bereits um Mitternacht war die Blockade der Regierungsgebäude im Zentrum aufgehoben. Von der geordneten Revolution zogen sich die Massen geordnet zurück. Nur den Amtssitz von Präsident Kutschma wollen sie bis zur Stichwahl weiter umstellen.

Juschtschenko stimmte seine Anhänger unterdessen auf das Weitere ein: "Ihr wart Helden. Uns bleiben noch einige Tage bis zu unserem endgültigen Sieg. Wir müssen nun alle gehen und für den 26. Dezember arbeiten."

Von einem neuen Spitalsaufenthalt Juschtschenkos in Wien wegen der Folgen des mutmaßlichen Giftanschlags will man in der Umgebung des Oppositionsführers nichts wissen. Man warte erst einmal die Expertise ab, die noch ausstehe, hieß es. Und jetzt habe der Wahlkampf Priorität. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2004)