Der eine steht in Palermo vor Gericht, der andere stand in Mailand vor dem Richter. Der eine erwartet ein Urteil wegen Zusammenarbeit mit der Mafia, der andere war wegen Bestechung eines Gerichts angeklagt. Beide sind enge Freunde und haben mit allen Mitteln versucht, ihre Prozesse zu verzögern. Der eine ist der Forza-Italia-Senator Marcello Dell'Utri, der andere sein Mentor Silvio Berlusconi.

Dass die Urteile gegen beide innerhalb weniger Stunden ergingen, ist Zufall. Ginge es nach der Regie des Premiers, wäre sein Prozess längst beendet. Doch das Verfassungsgericht kippte das für ihn maßgeschneiderte Immunitätsgesetz, mit dem er sich dem Korruptionsprozess entziehen wollte. Die Verurteilung seines Intimus Cesare Previti zu elf Jahren Haft konnte Berlusconi nicht verhindern. Doch an der Schadensbegrenzung wird schon gearbeitet.

Seit zwei Wochen steht im Parlament ein Gesetz zur Diskussion, das die Opposition nicht von ungefähr "Lex Previti" getauft hat. Es soll die Verjährungsfrist reduzieren. Der Regierungschef, für den Staatsanwältin Ilda Bocassini wegen Bestechung von Richtern beim Kauf des Lebensmittelunternehmens SME acht Jahre Haft gefordert hat, rechnet in Mailand fest mit einem Freispruch. "Man sollte mir eine Medaille um den Hals hängen, statt mich vor Gericht zu zerren", empfahl Berlusconi am Donnerstag.

Prozessverzögerung

Auch Marcello Dell'Utri hat tatkräftig dazu beigetragen, seinen Prozess zu verzögern. Seit November 1997 wurden an 256 Verhandlungstagen 270 Zeugen gehört. Die Gerichtsakten umfassen eine Million Seiten. 25 Tage benötigten allein die Anwälte für ihre wortreichen Plädoyers, in denen sie versuchten, den Senator von einer Anklage freizusprechen, für die Staatsanwalt Antonio Ingroia elf Jahre Haft gefordert hat: Zusammenarbeit mit der Mafia.

Für Ingroia ist es der letzte Mafia-Prozess. Wie alle anderen Staatsanwälte von Palermo, die gegen politische Hintermänner der Mafia ermittelten, ist auch er ein Opfer politischer Säuberung. Ingroia wirft Dell'Utri vor, Mafia-Gelder für Berlusconis Fininvest- Konzern kassiert haben. Der Forza-Italia-Gründer bestreitet nicht, den Mafioso Vittorio Mangano als Stallmeister in Berlusconis Villa untergebracht zu haben. Von dessen Zugehörigkeit zur Cosa Nostra will er nichts gewusst haben.

Dell'Utri, der Berlusconis Werbeunternehmen Publitalia leitete, ist wegen Steuerbetrugs bereits rechtskräftig zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. In der letzten Legislaturperiode aus Immunitätsgründen ins Europaparlament gewählt, glänzte er dort in der Anwesenheitsliste als Schlusslicht aller 626 Abgeordneten.

Forza Italia neu

Berlusconis enge Freundschaft mit dem Sizilianer Dell'Utri reicht in die Universitätsjahre zurück. Seither sind beide im Beruf und im Privatleben eng verbunden. Zusammen mit dem früheren Wirtschaftsminister Giulio Tremonti soll Dell'Utri mit Blick auf die nächsten Parlamentswahlen ein neues Organisationsmodell für Forza Italia planen und verwirklichen. (DER STANDARD, Printausgabe 11./12.12.2004)