George Bush wird im Februar nach Europa reisen, mit dem Ziel, die Spannungen abzubauen. Wie man aber in einem äußerst einflussreichen Think-Tank in Washington zu Europa steht, konnte Waltraud Klasnic, Landeshauptmann der Steiermark, dieser Tage in der Hochburg des erzkonservativen Denkens, der "Heritage Foundation" hören: "Wir arbeiten an einer Revolution der Politik gegenüber Europa. Die USA sollen nicht mehr länger die immer engere Integration der EU-Mitglieder unterstützen, sondern stattdessen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten anstreben. Die weitere europäische Integration liegt nicht im Interesse der USA. Zu dieser Ansicht sind wichtige Persönlichkeiten im Pentagon und der Bush-Administration gekommen", sagte Nile Gardiner, Mitverfasser eines Konzepts namens "Konservative Vision für eine US-Politik gegenüber Europa".

Einflussreiche Think-Tanks

Denkfabriken sind in Washington weit einflussreicher als etwa in der europäischen Politikszene. "Heritage" war und ist das Zentrum der "Neokonservativen", die die Irak-Politik formulierten. Beim Gespräch mit Klasnic wiesen die Heritage-Leute auch unverblümt drauf hin, dass wichtige Player in der Bush-Regierung auf ihrer Seite seien. Das muss noch nicht heißen, dass ihre Ideen 1:1 umgesetzt werden, aber die Grundhaltung wird sicher von etlichen Bush-Mitarbeitern geteilt.

Die EU wird als potenzieller Rivale gesehen: "Wir sind aufgewacht, als der Euro eingeführt und die europäische Verfassung erarbeitet wurde, und als wichtige Europäer mit Irak- Krieg nicht mitzogen", sagte Helle Dale, eine andere "Heritage"- Expertin, mit schöner Offenheit. Die USA sollten daher trachten, Frankreich und Deutschland zu isolieren und die EU überhaupt zu sprengen, in dem man eine "globale Freihandelsallianz" schafft, an der sich "qualifizierte europäische Länder" beteiligen können. Die Europäische Union soll eindeutig geschwächt werden.

"Heritage" steht, überspitzt formuliert, leicht rechts von Dschingis Khan. Aber auch liberale Beobachter wie Charles Kupchan von der Georgetown University in Washington, der unter Clinton im Nationalen Sicherheitsrat arbeitete, fürchten ein generelles Auseinanderdriften von Europa und USA: "Die traditionelle Domäne der US-Außenpolitik war das liberale Establishment im Nordosten der USA. Das verschwindet", sagte Kupchan zum Autor dieser Zeilen.

Kupchan meint, "dass wir an einem Moment in der Geschichte sind, den die Historiker später als Wasserscheide betrachten werden. Die größte Errungenschaft des letzten Jahrhunderts, nämlich die Schöpfung einer Zone des Friedens von Nordamerika bis Osteuropa, in der es keine Rivalität unter Staaten mehr gibt, steht auf dem Spiel. Es ist denkbar, dass in zehn Jahren der ,Westen‘ keine bedeutungsvolle Einheit mehr bildet".

Noch mehr verhasst als die EU ist den Hardlinern in der Bush-Administration die UNO. Klasnic traf am UN-Sitz in New York mit der stellvertretenden Generalsekretärin Louise Fréchette zusammen, zuständig für interne Reform der UN. Die gebürtige Kanadierin sang ein Loblied der EU: "Sie ist ein Vorbild für die UN als Möglichkeit eines konstruktiven Zusammenlebens und -arbeitens."

Die Attacke der Hardliner in der Bush-Administration auf UN-Generalsekretär Kofi Annan konnte vorläufig abgewehrt werden. Die radikalen Ideen à la "Heritage-Foundation" sind noch nicht eindeutig Politik der USA gegenüber der EU. Aber der Wind weht scharf über den Atlantik. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2004)